Kinder

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Ein großes Problem mit meinen Kindern in der Messe ist, wie ich ihnen einen Zugang zum Ablauf der Messe schaffen kann. Denn eigentlich habe ich ja besseres zu tun, als die ganze Zeit irgendetwas zu erklären. Gerne greife ich daher auf „Kindermeßbücher“ zurück, die man den Kindern schon zu hause erklären kann, so daß sie dem Meßablauf mit Hilfe der Bücher folgen können.

Mir ist dabei schon klar, daß ein solches „Meßbuch“ nie alle Erwartungen erfüllen kann. Wollte man alle Elemente der Messe mit nur einem Bild berücksichtigen, müßte man den Kindern einen ganz schönen Wälzer zumuten. Auch ist es nicht gerade einfach, das Hochgebet zu bebildern, da die vier regulären Hochgebete (von regional erlaubten oder vom einzelnen Priester improvisierten ganz zu schweigen) in Inhalten und deren Reihenfolge mitunter erheblich abweichen. Auch die Bücher, die ich als Kind hatte, mußten auswählen und kleinere Elemente einfach übergehen.

Das ist bei Irmgard Partmanns und Sigrid Leberers „Heute gehe ich in den Gottesdienst. Mein Messbuch“ (Münster 2005; inzwischen vergriffen, keine Neuauflage geplant) nicht anders. Um so erfreulicher ist, daß der oft so stiefmütterlich behandelte Bußakt eine eigene Seite bekommen hat. Überhaupt ist der Wortgottesdienst relativ gut ausgefallen. Zwar gibt es kein Gloria, nur eine Lesung, keinen Psalm und auch kein Halleluja, obwohl es ganz offensichtlich um eine Sonntagsmesse geht. Doch wenn man berücksichtigt, daß vielerorts etwa der Psalm durch einen „Pausenfüller“ namens „Zwischengesang“ ersetzt wird, ist das durchaus zu verschmerzen.

Ein sehr unangenehmes Manko ist aber, daß die Texte zur Eröffnung/Statio und zum Evangelium einen ganz bestimmten Inhalt (Jesus sagt, daß die Kinder zu ihm kommen sollen) voraussetzen, der nun wahrlich nicht jeden Sonntag vorkommt (das wäre jedenfalls sehr zu hoffen), so daß ich diese Texte meinen Kindern auch zu hause einfach unterschlage. Das Wesen des Evangeliums in der Messe liegt doch gerade darin, daß es jedesmal ein anderes ist. Auch paßt mit diesen Texten nicht so recht zusammen, daß die Predigt den Zweck haben soll, die manchmal schwer verständlichen „Geschichten“ der Bibel zu erklären. (Und daß beim Bild zum Evangelium das Mikrophon prominent die Mitte des Bildes okkupiert, sei als realsatirische Darstellung positiv vermerkt 🙂

Ebenfalls hinter den Möglichkeiten zurück bleibt der Text zu den Fürbitten. Hier hätte es doch nahe gelegen, schon den Kleinsten die üblichen Fürbittintentionen nahezubringen. Stattdessen steht da was von „für alle Kinder, die keine Eltern haben; für alle, die arm sind; für alle, die keine Freunde haben“. Ich glaube nicht, daß Kinder mit einer kindgerechten Umformulierung von „a) für die Anliegen der Kirche, b) für die Regierenden und das Heil der ganzen Welt, c) für alle von verschiedener Not Bedrückten, d) für die Ortsgemeinde“ (AEM 46) überfordert wären. (Geht das eigentlich nur mir so: Wieso fehlen in der AEM die Verstorbenen? Selbst in den merkwürdigst liturgisch verrenkten Messen habe ich meist eine solche Fürbitte vorgefunden. Das ist jedenfalls eine Praxis, die ich auch gegen die AEM für bewahrenswert halte!)

Deutlich schwächer aber fällt die Eucharistiefeier aus. Daß der Altar mit Kerze und Blumengesteck geschmückt sowie notdürftig mit einem schmalen Altartuch bedeckt ist, ist gut beobachtet, und daß auf mehreren Bildern im Hintergrund ein Hochaltar erscheint und der erhöhte Altarraum durch sechs große Leuchter noch zusätzlich vom Kirchenraum deutlich abgetrennt ist, so daß schon fast der Anschein einer Ikonostase entsteht, mag man gar als subtilen Sarkasmus deuten. Aber warum zum Henker wird in diesem Buch ständig und zu jeder Gelegenheit gesessen?! Ausdrücklich steht die Gemeinde nur beim Credo, beim Friedensgruß und zum Segen. Bei der Eröffnung und beim Evangelium, anscheinend auch beim Vater unser und selbst bei der Wandlung sitzt die Gemeinde! Auch wenn ich das schon einmal in der Realität erleben mußte (und peinlicherweise in einer Bischofskirche!), das kann doch jetzt wirklich nicht wahr sein, oder?!

Entsprechend flach fällt bereits das einzige Bild im Buch aus, das den Gottesdienstraum überschreitet, nämlich das zum Sanctus. Statt hier die Vereinigung mit der himmlischen Liturgie im Bild umzusetzen (was an dieser Stelle ja nun wirklich nahe liegt), findet sich eine Weltkugel, auf der lauter händchenhaltende Kinder verschiedener Völker und Nationen stehen, dazu der Text: „Gott hat die Welt erschaffen. Es ist schön, auf der Welt zu sein. Wir loben und preisen Gott: ‚Heilig bist du.'“ Schade!

Das folgende Bild ist der Grund, warum ich das Buch letztlich doch keinem empfehlen kann: Das gesamte Hochgebet ist mit einem einzigen Bild abgehandelt. Dieses Bild zeigt die Wandlung des Brotes, der Text nennt die entsprechenden Wandlungsworte. Aber wo ist der Kelch?! Bildlich fehlt er völlig, im Text taucht er auf, doch steckt hier ein gutes Körnchen Verwässerung katholischen Glaubens (um das böse H-Wort zu vermeiden):

„Dann nimmt der Priester den Kelch mit dem Wein in die Hände und segnet[!] ihn. Mama hat gesagt, dass uns der Kelch mit Wein[!] daran erinnern[!] soll, dass Jesus für uns [immerhin!] am Kreuz gestorben ist.“

Das könnte auch locker flockig ein Reformierter unterschreiben. Von „Blut“ ist nirgendwo die Rede (und der „Leib Christi“ kommt auch nur in der Spendeformel zur Kommunion vor, und im Satz davor ist noch vom Brot die Rede…).

Wenn ich das mit den „Meßbüchern“ meiner Kindheit vergleiche, dann ist hier der größte Unterschied zu erkennen. Selbst das Buch mit den wenigsten Bildern zum Hochgebet zeigt wenigstens Präfation (wobei dafür das Sanctus fehlt), die Herabrufung des Heiligen Geistes sowie einzeln Wandlung von Brot und Wein, also (wenn man das Sanctus schon zum Hochgebet hinzuzählt) doppelt so viel Bilder wie das von Partmann/Leberer. Und wie lang kam mir immer der Teil nach der Wandlung vor! Ich vermute: Weil es lange Zeit (nämlich bis zum Vater unser) nichts zum Umblättern gab, es also „nicht weiter ging“! Genau dieser Effekt zeigte sich jedenfalls bei meinem Sohn, der (von der Predigt einmal abgesehen 🙂 bis dahin ziemlich eifrig und konzentriert Buch und Messe miteinander abgeglichen hatte. Natürlich stellt sich hier das oben angesprochene Problem mit den vier Hochgebeten, aber mal ehrlich: Man riskiert doch nicht wirklich etwas, wenn man vor der Messe sein Vermögen auf das zweite Hochgebet setzt, oder?!

Ab dem Vater unser ist das Buch wieder halbwegs in Ordnung. Es folgen noch Bilder zum Friedensgruß, zum Lamm Gottes, zur Kommunion und zu Schlußgebet/Segen/Entlassung, wobei die Texte auf dem flachen Niveau des Sanctus bleiben und damit meiner Meinung nach Kinder schlicht unterfordern. Daß dabei notwendig der Mahlcharakter überbetont werden muß und der Opfercharakter nur in dem nicht ganz richtigen Text zum Kelch (s.o.) vorkommt, ruft bei mir mittlerweile nur noch Schulterzucken hervor. Was ich meinen Kindern zu den Bildern erzähle, muß ja nun wirklich nicht das sein, was dasteht…

Grundsätzlich wäre noch zu kritisieren, daß alle Menschen, auch die Erwachsenen und selbst der Priester so aufdringlich freundlich, fast kindisch gezeichnet sind, daß keinerlei Ernst oder Ehrfurcht zum Ausdruck kommt; alle haben sich offenbar ganz doll lieb. Und Stanislaus würde wohl auch das große Kotzen kriegen, weil der Priester eine Stola über der Kasel trägt 🙂 Aber wenn das unsere größte Sorge wäre…

Fazit: Man muß ja schon fast froh sein, daß es für solche Bücher überhaupt noch einen Markt gibt, also noch genug Eltern mit ihren Kindern in die Messe gehen, anstatt sie in den „Kindergottesdienst im Gemeindehaus“ abzuschieben. Und auf den ersten Blick machte das Buch ja auch einen ordentlichen Eindruck. Erst im Praxistest stellte sich die Bildauswahl beim Hochgebet als sehr unausgewogen dar. Ebenfalls erst beim näheren Betrachten fiel auf, daß hier viel zu viel gesessen und viel zu wenig Ehrfurcht gezeigt wird. Problematisch ist, daß die Bilder damit ästhetisch zum Ausdruck bringen, was auch im Text ganz offen hervortritt, wenn man darauf achtet: Hier wird ein Erinnerungsmahl dargestellt, keine katholische Messe. Das ist mir ein Ausschlußkriterium. Die Suche fängt also gerade erst an.

Eigentlich hatte ich ein schönes Weihnachtsfest (und eigentlich feiern wir ja noch immer, nur daß Karwoche, Oster- und Weihnachtsoktav schon fast meinen halben Jahresurlaub kosten würden :-(). Spätestens seit der ersten Lesung der Christmette kann mir das schon seit Jahren kaum mehr anders gehen:

Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf.

Als dann beim Credo zumindest im Altarraum kräftig die Knie gebeugt wurden und ich am Weihnachtstag selbst auch noch das leider eher seltene Glück hatte, den Johannesprolog in seiner ganzen Schönheit zu hören, war ich endgültig versöhnt. Versöhnt? Ja, versöhnt; denn der Anfang des diesjährigen Weihnachten war alles andere als optimal: die Krippenandacht.

Freiwillig kriegen mich da sowieso keine zehn Pferde rein, dafür habe ich schon viel zu viel Merkwürdigkeiten erlebt. Auf der anderen Seite weiß ich, wie wichtig für mich als Kind die Krippenandacht war. Es gehörte einfach dazu, in die Krippenandacht zu gehen, und wenn wir wieder nach hause kamen, war das Christkind dagewesen. Deswegen sind wir mit unseren Kindern auch dieses Jahr in die Krippenandacht gegangen.

Aber, oh Graus, so was Schreckliches habe ich noch nicht erlebt! Die Krippenandacht soll doch eigentlich gerade für Kinder sein! Wie kann man dann ein durch und durch politisiertes und moralisierendes Krippenspiel aufführen?! Ständig drehte es sich um die schweren Zeiten, die arroganten Reichen, die immer reicher werden, und die armen Armen, die immer ärmer werden und mit denen keiner mehr spielen will, und ständig war ganz offensichtlich: Das sollte „Verheutigung“ sein.

Als mir allmählich das Messer in der Tasche aufklappte und ich ganz und gar unweihnachtliche Gefühle entwickelte, faselte die „Maria“ da vorne was von: „Mein Kind soll später bei dieser ganzen Verflucherei nicht mitmachen!“ – Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida…! – „Die Bösen sind doch gar nicht so böse, denen muß man doch nur mal was Gutes tun!“ – Das kommt bei Charles Dickens wenigstens ästhetisch ansprechender rüber, wird dadurch aber nicht richtiger… – „Mein Kind soll mal gut zu allen sein!“ – Als ob Maria mehr als „Sie haben keinen Wein mehr“ dazu zu sagen hatte! Uarghs!

Nach vierzig Minuten Krippenandacht sind wir dann endlich gegangen – Maria und Josef waren übrigens immer noch auf Herbergssuche! Ich frage mich, was so schwer daran ist, die Weihnachtsgeschichte in evangeliumsgemäßer Fassung und kindgerechter Länge zu spielen?! Warum muß da immer so viel reininterpretiert werden, was vielleicht auch irgendwo drinsteckt, aber eben doch reichlich nebensächlich ist? Ist nicht die Inkarnation, die Menschwerdung Gottes bereits in sich und auch für Erwachsene so unverständlich, daß man eigentlich nicht mehr machen kann, als sie in Bildern zum Ausdruck zu bringen? Warum muß es jedes Jahr ein neues Krippenspiel sein? Kinder brauchen gerade die Wiederholung! Meine Kinder haben nicht einmal verstanden, daß das was mit Weihnachten zu tun haben sollte! Ehrlichgesagt: Ich hätte heulen können!

Aber wahrscheinlich ist bereits den Erwachsenen selbst ein so großes Geheimnis unzumutbar. Wenn etwas nicht auf den Punkt gebracht werden kann, dann muß halt um den heißen Brei herumgeredet werden, dann muß halt die Herbergssuche endlos ausgedehnt und ausgebaut werden, die bei Lukas nur einen Halbsatz (Lk 2,7d) ausmacht. So begann also mein Weihnachten ohne Hirten, ohne Krippe – ohne Menschwerdung. Kein Wunder, daß ich in der Christmette noch nach Versöhnung suchte…

Gestern wurde ich um die Wiederkunft gebracht. Dabei ist der erste Advent praktisch ausschließlich dem zweiten Advent gewidmet. Schon der Eröffnungsvers ist dermaßen auf Gericht ausgerichtet:

Zu Dir, Herr, erhebe ich meine Seele. Mein Gott, Dir vertraue ich. Laß mich nicht scheitern, laß meine Feinde nicht triumphieren! Denn niemand, der auf Dich hofft, wird zuschanden. (Ps 25, 1-3)

Der fiel – natürlich – aus, stattdessen wurde immerhin „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ gesungen. Das Tagesgebet konnte der Pfarrer natürlich nicht umgehen (und ihm persönlich würde ich auch überhaupt keine Böswilligkeit unterstellen; aber offenbar wollte er „die armen Kleinen“ nicht erschrecken; vielleicht sollte ich nicht mehr in „Familiengottesdienste“ gehen, aber das kann man sich ja leider nicht immer aussuchen). Trotzdem spielte das Thema im weiteren kaum eine Rolle. Der vermaledeiten Lesungsauswahl fiel daher diesmal auch nicht die alttestamentliche Lesung aus dem Buch Jeremia zum Opfer, denn die kann man ja auch auf den ersten Advent Christi beziehen, sondern die eindeutig eschatologische zweite Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher:

Brüder!
Der Herr lasse Euch wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen, wie auch wir Euch lieben, damit euer Herz gefestigt wird und ihr ohne Tadel seid, geheiligt vor Gott, unserem Vater, wenn Jesus, unser Herr, mit allen Seinen Heiligen kommt.

Im übrigen, Brüder, bitten und ermahnen wir Euch im Namen Jesu, des Herr: Ihr habt von uns gelernt, wie ihr leben müßt, um Gott zu gefallen, und ihr lebt auch so; werdet darin noch vollkommener! Ihr wißt ja, welche Ermahnungen wir euch im Auftrag Jesu, des Herrn gegeben haben.

Da das Evangelium obligatorisch ist, durfte ich wenigstens hören: „Wenn all das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe.“

Da wäre ja noch einiges zu retten gewesen. Aber die Predigt – oder besser: die Kinderkatechese – war ja dermaßen flach! Einziger Bezugspunkt zu den Texten der Lesungen waren „die Sterne“, die er auf den Stern von Bethlehem bezog. Und, flupps, war der Bogen vom eschatologisch-apokalyptischen Evangelium zu Weihnachten geschlagen: Der Stern von Bethlehem. Fazit: Gott ist der Stern, der uns Orientierung gibt. Ist ja nicht falsch – aber am ersten Adventssonntag doch etwas zu flach.

Aber damit nicht genug. Am Abend wollte ich diesen Mangel aus der Messe in der kleinen Adventsfeier in der Familie ausgleichen. Aber habe ich in den ganzen Kinderbibeln überhaupt irgendwas eschatologisches oder gar apokalyptisches gefunden? Selbst bei der Sintflutgeschichte wird der Grund für die Sintflut, der Ärger Gottes über das Böse der Menschen und die Absicht, den Menschen zu vernichten, unterschlagen. Stattdessen ist viel von „Gottes schwimmendem Zoo“ die Rede. So verlieren Sintflut und Regenbogen natürlich völlig ihre typologische Kraft auf Taufe und den Neuen Bund hin… Letztlich fand ich nur in einer einzigen Kinderbibel, die mir aus freikirchlichem Kontext zu stammen scheint, wenigstens ein wenig aus der Offenbarung des Johannes: Die 24 Ältesten, die 4 apokalyptischen Reiter und die Vision vom Himmlischen Jerusalem. Allerdings fehlt auch in dieser etwa Daniels Vision vom Menschensohn.

Meine Güte! Was ist denn so schlimm an der Wiederkunft, daß man sie anscheinend keinem zumuten kann?! Ich, als Apokalyptiker, fühle mich jedenfalls diskriminiert. Und jetzt seid ihr bitte alle ganz betroffen!