Pastoral

Ich hatte das Glück, den Eröffnungsgottesdienst mit einem kleinen Lästermaul verbringen zu dürfen. Das hat einiges erträglicher gemacht, vor allem die Musik. Seit der evangelische Landesbischof Friedrich dann auf das Kirchentagsmotto anspielend davon sprach, daß er vermute, nicht alle Anwesenden teilten seine Hoffnung, nämlich die auf die Auferstehung und das ewige Leben, bin ich sogar bereit, der Ökumene wieder den Kredit zu geben, den sie für mich auf dem ÖKT 2003 in Berlin (endgültig) verspielt hatte. Da war ich mit der Hoffnung auf harte, aber faire Auseinandersetzung hingefahren, wie ich sie aus dem Internet kannte. Mehrere Veranstaltungen zu kontroversen Themen zeigten mir aber: Es ging „den anderen“ um Durchsetzung ihrer Interessen bei völligem Übergehen des katholischen (und orthodoxen!) Selbstverständnisses (die Orthodoxen gingen damit aber sehr viel entspannter um und gönnten sich die Arroganz des „wir sind wir, wer seid ihr denn schon?“, während die meisten Katholiken jeden Angriff mit Demutsgesten und Unterwürfigkeitsadressen beantworteten). Der Höhepunkt war damals beim Warten auf den Zug zurück auf dem Bahnhof Lichtenberg. Da steigerten sich zwei Protestanten dermaßen in ihre restrictio mentalis „Amtskirche ist doof und unterdrückt, was alle Katholiken doch eigentlich wollten“, daß mir der Kragen geplatzt ist. Daß ein Katholik tatsächlich gegen das gemeinsame „Abendmahl“, Frauenordination und Zölibatsaufhebung sein konnte, war für eine völlig neue Information für die beiden. Ja, zugegeben, jetzt wo ich das nochmal Revue passieren lasse, liegt das Problem wohl tatsächlich eher bei uns…

Nunja, zurück zu heute, zurück zur Musik. Das Motto lautet ja „Damit ihr Hoffnung habt“. Den Ansatz, die Hoffnung in Kontrast zur erfahrenen Realität zu stellen, finde ich durchaus gut, die Umsetzung aber war katastrophal. Ganz davon abgesehen, daß mich das gesprochene „Krieg“, „Hunger“, „Durst“ an den Diener von König Pumponell in der Augsburger Puppenkistenversion von Urmel aus dem Eis erinnerte, und für mich die musikalische Umsetzung viel zu harmlos war, stand die „Hoffnung“ vor allem musikalisch in einem völlig unvermittelten Kontrast zum Bösen. Als ob das Böse durch den Glauben einfach verschwinden würde! Als ob die ganze Realität einfach bloß hell und licht würde, nur weil ich glaube! Nein, der Auferstandene trägt die Wundmale, das Böse wird nicht einach vernichtet, sondern es hinterläßt auch im Glauben, auch nach der Auferstehung seine Spuren — aber es wird nicht mehr als hoffnungslos, als nur Böses erfahren. Das ließe sich aber auch musikalisch umsetzen! Warum aber spielt man lieber nach einer klassisch gesungenen Strophe eine verswingte Big Band-Version von „Wer nur den lieben Gott läßt walten“ als die herausfordernde Spannung zwischen melancholischer (aber nicht hoffnungsloser!) Melodie und hoffnungsvollem Inhalt auszuhalten?! Vielleicht liegt hier ja eines der Grundprobleme: Der Wunsch nach Heil ohne Anstrengung, nach billiger Gnade, danach, aufopfernde Mutterliebe zu erfahren, ohne sie selbst leben zu müssen.

Kann es sein, daß es in der Ökumene immer nur darum geht, was nicht geht? Klar, daß die Punkte, in denen es keinen Streit gibt, nicht allzu kontrovers sein können. Aber es gibt doch auch genug Themen, in denen es eine Kontroverse zwischen Christen verschiedenster Konfessionen und der säkularen Gesellschaft gibt. Ich sehe dort in keinem relevanten Feld ernsthafte ökumenische Versuche kirchlicher oder auch nur theologischer Zusammenarbeit. Was nicht kontrovers ist, wird überhaupt nicht diskutiert. Was aber ist dann überhaupt das Ziel, der Sinn von Ökumene? Wir ham uns alle lieb?

Zu der Fußnote hier noch ein etwas jüngeres Erlebnis:

Ich saß mit 11 anderen an einem Tisch (na gut, es waren mehrere zusammengeschobene Tische). Im Laufe der Zeit stellte sich raus, daß sich immerhin vier Ordensangehörige, davon drei Priester, sowie ein Weltpriester darunter befanden. Kein einziger Priester war als solcher erkennbar. Der Laienbruder aber, der sich traute, Habit zu tragen, wurde bald darauf in der Öffentlichkeit interessiert angesprochen…

Zu diesem Post fiel mir noch eine Story aus der Pastoral-Vorlesung (muß wohl schon anno 2001 gewesen sein):

Ein Pfarrer habe ihm[1] erzählt, wie er von einer aufgebrachten Mutter angerufen wurde. Im von der Gemeindereferentin verantworteten Erstkommunionunterricht habe ihr Sohn aufbekommen, ein ewiglanges Gedicht auswendig zu lernen, und das ginge doch nicht, denn zum Lernen gehe der doch in die Schule. Nachdem der Pfarrer die Mutter halbwegs beruhigt hatte, fragte er dann doch mal nach, wie das Gedicht den heißen würde. „Vater unser.“

[1] Huch, daß der Herr Priester ist, wußte ich bisher gar nicht…

Es gibt Tage, an denen kann man gar nicht so viel beten, wie man kotzen möchte… Warum kommen die Rückschläge eigentlich immer dann, wenn man meint, man hätte ein gewisses Level erreicht?

Heute früh in der Messe dachte ich angesichts des deutlich höheren Gesangstempos noch, die müssen alle meinen Blogeintrag von gestern gelesen haben. Doch der Tag sollte noch mehrere unmittelbar aufeinander folgende Breitseiten bereithalten (4 innerhalb von schätzungsweise zehn Minuten). Während ich mich noch von dem einen Tiefschlag zu erholen versuchte, traf mich bereits der nächste. Alles scheiße, alles doof, vor allem wenn es aus Rom oder zumindest von Bischöfen kommt, mit kirchlicher Lehre ist doch eh kein Blumentopf zu gewinnen, und natürlich sind die repräsentativen katholischen Jugendlichen dick und häßlich, und wenn nicht, wenn sie gar offensiv kirchliche Positionen vertreten, dann sind sie eben nicht repräsentativ oder haben zumindest eine defizitäre Gottesbeziehung. Warum kann sich eigentlich keiner vorstellen, daß jemand dabei steht, der sich von solchen Despektierlichkeiten in seinem Glauben und damit so persönlich wie nur möglich angegriffen fühlt?

Aber wie sag‘ ich’s meinem Kinde?! Mal davon abgesehen, daß die Klugheit eh gebietet, nicht alles zu sagen, was man denkt, macht mich sowas eher depressiv als aggressiv, so daß mir mittlerweile nicht nur der Mut, sondern schon die Worte fehlen. Was soll ich denn auch noch sagen, wenn ich mit jedem Wort den Eindruck vermittelt bekomme: Wer das anders sieht, lebt entweder hinterm Mond oder ist Fundamentalist (oder wahrscheinlich beides). Im Netz kann man sich von den Tiefschlägen erholen und dann angemessen (sachlich!) antworten (und hat den Vorteil, den anderen auf seine Formulierungen festnageln zu können). Man kann sich sogar die Zeit lassen, die Antwort mehrfach zu überarbeiten oder einen Blogeintrag mehrfach zu verschieben, solange bis er ausgereift ist. Im direkten Gespräch, insbesondere wenn man nur daneben sitzt und zuhört, hat man (oder nur ich?) den Zeitpunkt bereits verpaßt, zu dem man sich dazu noch hätte äußern können. Aber wie soll man Contra geben, wenn die ganze Gesprächsrichtung überhaupt keine Anknüpfungsmöglichkeit bietet?

Dabei geht es mir ja nicht einmal um die konkreten Punkte. Vielleicht ist die Kritik ja sogar sachlich berechtigt (so genau kenne ich die Details ja nun nicht immer). Aber der Grundduktus geht mir tierisch auf den Senkel: Mist, Fehlgriff, veraltet, dumm. Wie soll man mit so einem negativen Grundimpetus irgendwas auferbauen?! Und wie kommt es, daß solche negativen Urteile immer kaskadenartig kommen, Positives aber nur vereinzelt aufblitzt? Wieso sind eigentlich immer die Bischöfe die angeblich „Zurückgebliebenen“? Ist es ausgeschlossen, daß man sich selbst irrt?

In den letzten Wochen habe ich mehrfach gelesen, daß es „da draußen“ noch mehr gibt, die wie ich gelegentlich davon träumen, die „Welt“ hinter sich lassen zu können. Mich faszinieren ja die Kartäuser, aber meine Frau läßt mich verständlicherweise nicht, und das ist wohl auch gut so. Sie meint, vielleicht stünde ich ja dort, wo ich stehe, damit mal jemand was dagegen sagt. Wenn dem so ist, dann fehlt mir aber noch ganz viel Gnade und Heiliger Geist, der mir eingibt, was ich sagen kann. Wenn mich der eine oder andere in sein Gebet aufnehmen könnte, wäre ich ihm sehr dankbar.

Allmächtiger Gott, gewähre mir die Gnade, glühend zu ersehnen, was wohlgefällig ist vor Dir, es mit Weisheit zu erforschen, in Wahrheit zu erkennen und vollkommen zu erfüllen. Ordne meinen Lebensweg zu Lob und Ehre Deines Namens. Laß mich Deinen Willen erkennen, so wie es sich gebührt und meiner Seele segen bringt.

Laß mich in Glück und Unglück treu zu Dir stehen, im Glück demütig, im Unglück stark und ungebeugt. Nur was zu Dir mich führt, soll meine Freude sein; nur was von Dir mich trennt, soll mich betrüben. Gib, daß ich niemand zu gefallen suche und keinem zu mißfallen fürchte als Dir allein.

Was vergänglich ist, o Herr, das sei gering in meinen Augen, doch kostbar sei mir alles, was Dein ist, um Deinetwillen; und über alles andere sollst Du selbst mir kostbar sein, o Herr, mein Gott. Jede Freude ohne Dich sei mir zuwider; laß mich nichts suchen als Dich allein. Für Dich zu arbeiten sei meine Freude, und eine Ruhe ohne Dich sei eine Last.

Gib, daß ich oft mein Herz zu Dir erhebe und mit Reue und erneutem Vorsatz Sühne leiste, wenn ich gefehlt. Laß mich gehorsam sein ohne Widerspruch, arm im Geiste ohne Niedrigkeit der Gesinnung, rein ohne Flecken, geduldig ohne Klage, demütig ohne Verstellung, froh ohne Maßlosigkeit, traurig ohne Kleinmut, ernst ohne Anmaßung, rührig ohne Oberflächlichkeit, wahrhaft ohne Trug. Laß mich Gutes tun ohne Überheblichkeit. Laß mich den Nächsten ermahnen ohne Hochmut und ihn erbauen in Wort und Beispiel ohne Falschheit.

Gib mir, o Herr, ein wachsames Herz, das kein leichtfertiger Gedanke von Dir ablenkt, ein edles Herz, das keine unwürdige Leidenschaft erniedrigt, ein gerades und aufrechtes Herz, das kein gemeines Streben auf Abwege führen kann, ein starkes Herz, das keine Trübsal beugt, ein freies Herz, das sich von keiner bösen Macht beherrschen läßt.

Schenk mir, o Gott, Verstand, der Dich erkennt, Eifer, der Dich sucht, Weisheit, die Dich findet, einen Wandel, der Dir gefällt, Beharrlichkeit, die gläubig Dich erwartet, Vertrauen, das am Ende Dich umfängt.

Laß mich, o Herr, Deine Strafen hienieden tragen im Geist der Buße und Deine Wohltaten recht gebrauchen durch Deine Gnade. Laß mich Deine Freude einst im Vaterland genießen durch Deine Herrlichkeit, o Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Amen.

(Thomas von Aquin — siehe Gotteslob 7,6)

Nach dem sehr lesenswerten Interview mit Weihbischof Dr. Hauke vom Dezember schockierte mich die Herderkorrespondenz in der Februarausgabe nun mit einem Artikel von Prof. Dr. Hubert Frankemölle. Da steht doch allen Ernstes drin:

Konkreter Anlass war die neugefasste Karfreitagsfürbitte „Für die Juden“ für den außerordentlichen Ritus, eigenhändig verfasst von Benedikt XVI., veröffentlicht am 4. Februar 2008. Darauf erhob sich bei Juden und Christen, Katholiken nicht ausgenommen, internationale Kritik, die im Februar/März in Empörung umschlug. Man gewann den Eindruck, dass nach dieser Textform Juden nur durch Jesus Christus zum Heil gelangen könnten. Jedenfalls war es für Juden schwer, die Fürbitte anders zu interpretieren, selbst wenn sie eschatologisch, das heißt auf die Zeit am Ende der Welt hin gelesen werde.

Nun kann ich das sehr gut nachvollziehen, daß man diese Textform gar nicht anders verstehen kann, denn an Christus vorbei kann keiner gerettet werden. Was mich daran schockiert, ist weniger die Auffassung an sich, es gebe einen Extraheilsweg für die Juden, als vielmehr daß ein katholischer Neutestamentler in der Herderkorrespondenz etwas schreiben kann, das mehr als nur suggeriert, daß er diese Auffassung teilt – und das, nachdem die deutschen Bischöfe in seltener Deutlichkeit genau diese Auffassung zurückgewiesen haben.

Wie soll das ausgerechnet bei den Juden denn funktionieren? Selbst wenn man voraussetzte, daß es auch Heil an Christus vorbei geben könnte – was bliebe denn vom Christentum übrig, wenn ausgerechnet diejenigen, zu denen Christus gesandt war, ohne Ihn gerettet werden können?! Warum hätte sich Paulus vor Damaskus bekehren sollen?! Warum hätte er zuvor überhaupt die Christen verfolgen sollen, wenn Christus und das Christentum für ihn als Juden völlig irrelevant gewesen wäre?!

Und mal ’ne ganz blöde Frage nebenbei: Selbst wenn es wohl nicht ausdrücklich dogmatisiert ist – ist „ohne Christus kein Heil“ nicht de fide? …propter nos homines et propter nostram salutem descendit de caelis… Ich mein ja nur.

Als sich in der Christmette zwei jungen Damen mit „Migrationshintergrund“ etwas verschämt und unsicher in die Kommunionschlange eingereiht hatten, war mir schon klar, daß die kaum katholisch sein können. So zeigte sich auch ganz deutlich, daß sie nicht wußten, was tun sollten, als sie die Kommunion gereicht bekamen. Der freundliche „Anranzer“ an die Mädels förderte dann auch ihr tatsächliches Unwissen zu Tage — und zugleich, daß sie keinerlei Absicht hatten, die Hostien zu verunehren.

Bei der Mutter, die ihrem Kleinkind die Kommunion weiterreichte, dachte ich schon eher an Böswilligkeit (zumal ich schonmal erlebt habe, wie die Kommunion an einen Hund weitergereicht wurde…). Aber siehe da: In dieser Familie war lediglich der Vater katholisch, und der hatte seine Frau in der Bank bereits „rundgemacht“.

Solche Beispiele lassen sich zwar nicht beliebig fortsetzen. Trotzdem habe ich in den letzten Wochen mehrfach erlebt, daß (nicht nur, aber) insbesondere krasses Fehlverhalten häufig auf Unwissenheit zurückzuführen ist. Wie aber geht man damit um, wenn der Zelebrant selbst sich nicht drum schert? Rechnet der nicht damit, daß sich sich Nicht-Christen in unsere Gottesdienste „verirren“?

Da ich neugierig bin und gerne wisse, mit wem ich es zu tun habe, versuche ich regelmäßig herauszubekommen, worüber ein „Dr.“ eigentlich promoviert wurde. In der Deutschen Nationalbibliographie wird man in der Regel fündig. Manchmal ist das Ergebnis witzig, meistens mehr oder weniger uniteressant, aber zumindest schonmal für eine Grobkategorisierung tauglich.

Was mich jetzt in den letzten Wochen erstaunt hat: In den meisten katholischen Einrichtungen landauf landab scheinen fast ausschließlich Exegeten zu sitzen, zumindest was die Laien angeht (insbesondere Ordensleute können sich ja auch nicht immer aussuchen, in welchem Fach sie promovieren). Dabei werden die meisten theologischen Dissertationen in den systematischen Fächern (mit deutlichem Abstand vorne: Dogmatik) abgefaßt, während in AT in einigen Jahren voraussichtlich kaum noch ordnungsgemäße Berufungsverfahren möglich sein werden.

Es mag ja sein, daß meine Stichproben schlicht nicht repräsentativ sind. Ich berichte hier ja nur von meinem subjektiven Eindruck. Aber merkwürdig finde ich das schon. Was machen eigentlich die ganzen praktischen Theologen? Was die Systematiker? Gibt es in der Deutschen Kirche ein Kastenwesen? Systematisker an die Uni, Pastoraltheologen an die Front und Exegeten in die kirchliche Verwaltung?!

Das würde bedeuten: Die Systematiker denken sich auf Basis des Deutschen Idealismus (oder neuerdings des, meist leider nur unzureichend, weil nicht in seinem anti-ontologischen, rein immanent-soziologischen Anspruch verstandenen, französischen Poststrukturalismus) was Tolles[tm] aus, was die Exegeten in der Verwaltung dann entmythologisierend (wir können doch nicht Computer benutzen und an einen personalen Gott glauben!) historisch-kritisch interpretieren (was wollte der Dogmatiker welcher konkreten Gemeinde sagen, wie können wir diese Gemeinde anhand der uns vorliegenden Textfragmente rekonstruieren und was heißt das allgemein für Kirche in anderen Situationen?) und in eine Dienstanweisung übersetzen, die dann die Pastis total betroffen heideggerschphänomenologisch interpretieren und mit um die gestaltete Mitte (einst als Altar bekannt) gruppierten mündigen Christen nach Gutdünken ausführen, sofern sie was Politisch-Moralisierendes draus machen können. – Was im Umkehrschluß bedeutet: Am Ende kommt zwar eine vergreisende entmythologisierte-politisierte Philosophie (wenn ich böse wäre: weltimmanente Gnosis), aber keine Glaubenspraxis heraus.

Vielleicht bin ich ja nur paranoid, aber selbst das hieße ja nicht, daß sie nicht hinter mir her sind…

[Update: Wie ich gerade erfahren habe, tut man an deutschen theologischen Fakultäten auch alles, um die wenigen verbliebenen Wissenschaftler unter den Exegeten auch noch in die Verwaltung zu verdrängen. In Münster sind beide Exegetenprofessuren (AT, NT) ausgeschrieben, in beiden Fällen nur mit W2 (aber immerhin wird AT mit einem Priester besetzt werden), während die Fundamentaltheologie mit W3 ausgeschrieben ist. Verrückt. Die könnten ja mal bei der Fakultät nachfragen, die seit knapp zehn Jahren die W2-Professur für alte Kirchengeschichte und Patrologie nicht dauerhaft besetzen kann, weil die wenigen Patrologen, die es noch gibt, sich nicht unter Wert verkaufen wollen…]

„Wenn ich deinen Gott gesehen hätte, in Fleisch und Blut, so käme eine Art Fieber über mich. Wenn ich davon überzeugt wäre, daß es wirklich einen Gott gibt, dem das Schicksal der Menschen nicht völlig schnurz ist, der sie wie ein Vater beobachtet und sich wie eine Mutter ihrer annimmt… In dem Fall käme mir bestimmt kein Unsinn in der Art von ‚Bei jeder Frage gibt es unterschiedliche Aspekte‘ und ‚Wir müssen den Glauben anderer Menschen respektieren‘ in den Sinn.

Ich würde nicht einfach nur deshalb zu anderen Leuten nett sein, weil ich hoffte, dafür irgendwann einmal göttlichen Lohn zu empfangen. Solch ein Verhalten wäre mir unmöglich, wenn die Flamme des Glaubens wie ein erbarmungsloses Schwert in mir brennen würde.

Ich spreche hier von ‚brennen‘, Herr Himmelwärts, und genau darauf läuft es hinaus. Du sagt, daß eure Kirche inzwischen niemanden mehr auf dem Scheiterhaufen verbrennt oder opfert, aber wahrer Glaube würde genau das bedeuten, verstehst du? Das eigene Leben der Flamme opfern, Tag für Tag, die Wahrheit verkünden, dafür arbeiten, ihre Essenz atmen. Das ist Religion. Alles andere beschränkt sich darauf, einfach nur ein wenig nett zu sein und ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn zu pflegen.“

Oma [Wetterwachs] entspannte sich ein wenig und fuhr mit ruhigerer Stimme fort: „So würde ich denken und fühlen, als wahre Gläubige. Und ich fürchte, so etwas kommt derzeit nicht in Frage, denn wenn man heute Böses sieht, muß man offenbar mit den Händen ringen und sage: ‚Ach du meine Güte, wir müssen darüber diskutieren!‘ Nein, davon halte ich nichts, denn es hieße die Dinge ruhen zu lassen.

Laufe dem Glauben nicht nach, denn du wirst ihn nie einholen“, fügte sie apart hinzu. „Aber vielleicht kannst Du ein Leben auf seiner Grundlage führen.“

Siehe auch hier.