Vaticanum II

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Im letzten Post schrieb ich, dass Er mir zeigte, „wie falsch die bisher von mir fast unhinterfragt übernommenen Kategorien waren“, ohne dass ich erklärt hätte, was ich damit meinte. Ich wollte den Post nicht überfrachten. Es ist aber die eigentliche Erkenntnis aus der geschilderten Erfahrung, und sie verändert nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch die Entschiedenheit.

Bisher bewegte sich mein Denken über die gegenwärtige kirchliche Situation – wie gesagt, unhinterfragt – in den üblichen, in der Regel digitalen Kategorien: „konservativ“ vs. „progressiv“, „vor-“ und „nachkonziliar“, „Traditionalisten“ und „Modernisten“. So richtig hilfreich waren diese Kategorien nicht, um die Gegenwart zu verstehen. Es blieb immer ein viel zu großer Überschuß nicht damit erklärbarer Umstände, was wesentlich daran liegen dürfte, daß es sich um (kirchen-)politische Kategorien handelt, die als solche von der Wahrheitsfrage absehen. Hilfreicher war da das Verständnis als Deutungsmusterkonflikt mit einer dritten Kategorie (noch dazu weniger aggressiv benamst): „traditional“, „modern“, „post-modern“ (M. Widl), wobei das moderne Deutungsmuster das älteste war und das traditionale erst Anfang der 1980er und das postmoderne in den 1990ern wahrnehmbar wurde. Trotzdem konnte ich mich dort nicht recht verorten; ästhetisch war/bin ich nix davon. Auch fühlte ich mich mit dem einfachen Ausweg des „dritten“ Weges „postmodern“ nicht wohl; das wäre zu einfach (und klingt zu dialektisch – These, Antithese, Synthese).

Was mir die Ereignisse der letzten zwei Jahre gezeigt haben, ist, dass diese Kategorien völlig an der Sache vorbei gehen. Es ist kein Deutungsmusterkonflikt, er ist kein Konflikt zwischen Vor- und Rückwärtsgewandten. Es gibt nur zwei ernst zu nehmende Kategorien: Christussucher und Nicht-Christussucher – und die gibt es in jedweder Ausprägung, modern, traditional, postmodern. Die Skala ist hier sicherlich breit und man kann die Kategorien weiter aufsplitten, etwa in Gläubige (Sich-Vergöttlichung-Schenken-Lassende), Suchende, Indifferente und Satanisten (Selbst-Vergöttlicher) (vgl. S. 89f. meiner Diss). Aber es bleibt bei der grundlegenden Entscheidung: Suchst Du Christus – oder nur Dein eigenes Wohlergehen?

Was landauf, landab abgeht, hat nichts mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil oder gar seiner Liturgiereform zu tun, nicht einmal mit dem Konzil der Medien und schon gar nicht mit irgendeinem obskuren Geist des Konzils. Es ist Folge eines steifen, unveränderlichen, christusfernen Traditionalismus, der sich in agnostischer Unentschiedenheit schließlich von der letzten Ehrfurcht vor Gott und der Gottesverehrung frei gemacht hat.

Spannenderweise ist der von der Kirche im 19. Jahrhundert verurteilte Traditionalismus ein direkter Vorläufer des Modernismus, und seine Vertreter, insbesondere die erste Tübinger Schule aus den 1830er und 1840er Jahren, feierten Mitte des 20. Jahrhunderts fröhlich Urständ, und die bis heute gemeinsame Wurzel ist – Agnostizismus: Glaubst Du das wirklich? Kann man das überhaupt glauben? Wie kannst Du Dir so sicher sein? Das ist mir zu dogmatisch! Zweifel gehören zum erwachsenen Glauben. – Alles falsch: „Zehntausend Schwierigkeiten machen noch nicht einen Zweifel“ (Seliger John Henry Newman).

Weitläufig erleben wir noch heute, im Jahr 2019, die vorkonziliare Bet-Sing-Messe: mit nur einer Lesung, den Kurzfassungsliedern anstelle der Ordinariumsgebete (was vorkonziliar liturgisch sogar noch einigermaßen Sinn ergab, aber in den Messen in der außerordentlichen Form, die ich jemals besucht habe – was zugegebenermaßen so viele nicht sind –, war viel mehr von Sacrosantum Concilium zu spüren als in einem durchschnittlichen deutschen Gemeindegottesdienst), dem „Zwischengesang“ anstelle des Antwortpsalms und derselben Lieblosigkeit und Schluderigkeit, mit der viele altehrwürdige Meßfeiern verunstaltet wurden („ich schaffe eine gültige Messe in 9 Minuten!“) – es hat sich nur das Meßbuch geändert, das mißachtet wird. Dafür ist der Mensch in den Mittelpunkt des „Gottes“dienstes getreten, und die Gemeinschaft unter den „Gläubigen“ geht über alles. Oder anders gesagt: Die Liturgiereform ist in Deutschland noch überhaupt nicht angekommen! (Disclaimer: Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel, aber deren Zelebranten sind dann entweder 75+ oder <45 Jahre alt und/oder sind schon lange in der Schublade "konservativ" gelandet.)

Oder genauer: in der meistens zu erlebenden deutschsprachigen Liturgie. Egal ob bei den Kroaten, den Portugiesen oder den Amerikanern – in jeder, wirklich in jeder Liturgie für Fremdsprachler, die ich in den letzten beiden Jahren besucht habe, konnte offenbar jeder ganz selbstverständlich das Ordinarium auswendig sprechen, also inklusive Gloria und Großem (!) Glaubensbekenntnis. Psalm und Halleluja sind hier völlig normal, bevor man sie durch ein Lied ersetzt, spricht man sie, und es scheinen keine ach so pastoralen Gründe für das Weglassen einer Lesung zu existieren (wenn man den ganzen unliturgischen Killefitt zwischendrin weglässt, dauert es mit zwei Lesungen auch nicht länger…). Absolut entlarvender Höhepunkt war die Formulierung des englischen Zelebranten, mit der er die Erklärung einleitete, warum man sich heute ausnahmsweise mit Stuhl-Ellipse um Altar und Ambo inmitten des Kirchenschiffs anstatt im (riesigen!) Altarraum mit Hochaltar befinde, weil das Licht dort oben heute nicht funktioniere: „We are in the german section of the church today…“

Ich habe es so satt, irgendwelche „politischen“ oder „pastoralen“ Rücksichten zu nehmen, die letztlich zu nichts anderem als einer Schere im Kopf führen, die aus „Rücksicht“ nicht sagt, was wahr ist, sondern selbst dort schweigt, wo Reden notwendig ist, ja sogar die Wahrheit zum Schweigen zu bringen versucht, wo sie gesagt wird. Dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn überhaupt keiner versteht, was an so einer Vergewaltigung schlimm sein soll: „Das ist doch ganz normal, das machen wir doch immer so.“ – Natürlich macht der Ton die Musik und man soll die Wahrheit nicht wie ein nasses Handtuch den Leuten um die Ohren schlagen, aber dieser Einwand zeigt doch nur exakt die Schere im Kopf: Die Wahrheit zu sagen könne doch nur in der Form des nassen Handtuchs geschehen, also lieber sie verschweigen als irgendjemand irgendetwas zumuten. Das ist schlimmer als jede Häresie – das ist laaaangweilig!

Erst jetzt, wo allmählich rauskommt, dass auch andere Mißbrauchsfälle keine versehentlichen Unfälle waren, sondern dass dahinter mitunter äußerst böswillige und zerstörerische Absicht, ja manchmal sogar System steckte, und dass dieses System von Verantwortlichen gedeckt wurde, wird mir klar, dass das alles nichts mit mir zu tun hatte, dass ich niemals irgendetwas dagegen hätte tun können und dass es an vielen Orten und in großer Zahl ständig und immer wieder passiert(e). Dass hinter vielen dieser Berichte nicht nur Versehen, Unwissen oder „gut gemeint“ steckte – sondern Böswilligkeit, Glaubensabfall und Zerstörungswut: Wenn ihr Mich liebtet, hieltet ihr Meine Gebote!

Und dass meine Hilflosigkeit kein Unvermögen meinerseits, sondern Methode ist: Wenn diejenigen, die für die Menschen zum Dienst am Herrn geweiht sind, die ersten sind, die Ihn vergewaltigen, dann müssen die Menschen, die auf ihren Dienst angewiesen sind, notwendig hilflos sein. Was sollen sie denn tun? Sich die Situation „schöntrinken“ und mit vergewaltigen? Sich in ihr Schicksal ergeben und in jeder Heiligen Messe erneut erleben, wir ihr Herr und ihr geistliches Verlangen mit Füßen getreten werden? Μὴ γένοιτο! Im einen wie im anderen Falle läuft es auf Dauer darauf hinaus, sich an das Undenkbare zu gewöhnen und geistlich abzustumpfen, letztlich also zu verweltlichen. Was wohl genau das ist, was angestrebt ist.

Hier stehe ich, ich kann nicht anders. ¡Viva Cristo Rey!

Der Post-Titel ist der Schlachtruf der Edain des Nordens im Kampf gegen Morgoth. Tolkien selbst übersetzt: „Flame, light! Flee, night!“ Folgt man den Nerds und Geeks, die sich ernsthaft mit dem Sindarin auseinandergesetzt haben, müsste es soviel heißen wie: Möge Licht aufstrahlen! Möge Dunkelheit fliehen! – Wer weiß, wer Morgoth ist und was die Licht-Dunkelheit/Nacht-Dichotomie in diesem Kontext meint, kann vielleicht nachvollziehen, warum dieser Titel der einzig passende für diesen Post war!

Und überhaupt: The scale might be wide but there’s no need to be blind – between black and white there is no room for two.

Manchmal ist es komisch. Selbst in der Vorbereitung des Blogoezesen-Blogs zum Jahr des Glaubens, als darüber diskutiert wurde, ob man sich bei Beiträgen denn unbedingt auf das Apostolische Glaubensbekenntnis beschränken müßte, kam in den vielen genannten alternativen Glaubensbekenntnissen eines nicht vor – das übrigens auch im Denzinger-Hünermann fehlt: „Das Credo des Gottesvolkes“ von Paul VI. Auch 11 Jahre an deutschen katholisch-theologischen Fakultäten hatten mich nicht mit ihm in Kontakt gebracht (anders dann die amerikanisch-katholische Bloggerszene).

In diesem Credo des Gottesvolkes steht etwas ganz klar und deutlich drin, das in der deutschsprachigen Theologie und Kirche ganz klar und deutlich nicht gelehrt wird, wofür ich Jahre des Studiums gebraucht habe, um darauf zu kommen, daß das die einzig sinnvolle und widerspruchsfreie Interpretation der entsprechenden Aussagen von Lumen Gentium ist, eine Erkenntnis, für die ich sogar z.T. massiv angekeilt wurde:

Wir glauben, daß die von Christus gegründete Kirche, für die Er gebetet hat, unfehlbar eine ist: im Glauben, im Kult und in der hierarchischen Gemeinsamkeit.

Die Identifikation der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche mit der römisch-katholischen Kirche samt der mit ihr unierten Kirchen, d.h. die Lehre, daß die Kirche tatsächlich real und realistisch eine ist, nämlich durch die Einheit in Glauben, Liturgie und vor allem Hierarchie auch äußerlich als eine erkennbar ist, wird regelmäßig und reflexartig mit Verweis auf das „subsistit in“ in Lumen Gentium 8 bestritten: Zwar bedeute „subsistit in“ grammatikalisch vielleicht tatsächlich nichts anderes als „est“, jedoch müsse die Konzilsdebatte in Betracht gezogen werden, nach der sich das „subsistit in“ gerade als Änderung eines „est“ in der Textvorlage durch die Konzilsväter entpuppt. Mithin könne das „subsistit in“ nicht dasselbe wie „est“ bedeuten. Was es aber bedeutet, das sei sehr schwierig zu sagen, eigentlich ließe es sich nicht übersetzen, man bleibe besser beim lateinischen Fachterminus, da könne man nichts falsch machen.

Nochmal für die Nicht-Lateiner übersetzt:

  • Lumen Gentium ist das Konzilsdokument über die Kirche.
  • Dort steht, daß die Kirche, die wir im Glaubensbekenntnis bekennen, in der römisch-katholischen Kirche „subsistiert“.
  • „Subsistieren“ müßte (und wird, wenn überhaupt) als „besteht in“ oder „ist verwirklicht in“ übersetzt werden.
  • D.h. der Konzilstext besagt, die im Credo bekannte Kirche ist in der katholischen Kirche verwirklicht.
  • Das wäre an sich eine klare Aussage, die da heißt: Die katholische Kirche ist die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.
  • Aber: Die Konzilsväter haben gerade das „ist“ gestrichen und stattdessen das „subsistieren“ gewählt, also könne es nicht dasselbe meinen wie das „ist“.
  • Was es aber tatsächlich meine, das könne man so klar nicht sagen, das müsse man aus dem Kontext erschließen.
  • In diesem Kontext ist eben von verschiedenen kirchlichen Elementen bei den getrennten Christen die Rede, und diese Elemente seien gerade echte kirchliche Elemente der Heiligung, auch wenn sie außerhalb der katholischen Kirche existieren.
  • Mithin könne eine Identifikation der Kirche mit der Kirche nicht sein, weil es außerhalb der Kirche Kirche gäbe.

Ok, der letze Satz war polemisch; nochmal richtig:

    Mithin könne eine Identifikation der katholischen Kirche mit der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche nicht sein, weil es außerhalb der katholischen Kirche eine, heilige, katholische und apostolische Kirche gäbe.

Äh, Moment, dieser Satz ergibt keinen Sinn. Nochmal sinnvoller:

    Mithin könne eine Identifikation der Papst-Kirche mit der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche nicht sein, weil es außerhalb der Papst-Kirche Elemente der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche gäbe.

Ob der Satz jetzt wirklich sinnvoller geworden ist, weiß ich ja nicht. Aber lassen wir nochmal Paul VI. zu Wort kommen im Credo des Gottesvolkes:

Wir anerkennen das Vorhandensein zahlreicher Elemente der Wahrheit und Heiligung außerhalb der Gemeinschaft der Kirche Christi, welche eigentlich ihr zugehören und auf die katholische Einheit hindrängen.

Uuuuups. Das ist ziemlich eindeutig: Ja, es gibt Elemente der Wahrheit und Heiligung außerhalb der „Papst-Kirche“, die hier eindeutig mit der Kirche Christi identifiziert wird. Diese Elemente sind aber eigentlich Teile der „Papst-Kirche“ und wollen eigentlich auch äußerlich zu ihr gehören, sind aber tatsächlich real und realistisch von der einen Kirche Christi getrennt![1]

Da schließt sich der Kreis: In Deutschland wird einem erzählt, die Kirche und die Kirche seien nicht miteinander identisch, und in Deutschland ist das Credo des Gottesvolkes, das überall sonst als hilfreiche Auslegung und Orientierung zu den Konzilsbeschlüssen aufgegriffen wurde, praktisch unbekannt.

Trotzdem: Das Argument, die Konzilsväter hätten sich bewußt gegen das „est“ für das „subsistit in“ entschieden, läßt sich eigentlich nicht so leicht vom Tisch wischen. Das „subsistieren“ muß eine vom „ist“ abweichende Nuance und Bedeutung haben, die aber zugleich ganz offensichtlich nichts von der realistischen Interpretation der Einheit der Kirche auch und gerade in der Leitung wegnimmt.

Damit sind wir beim Kern der Sache. Denn „subsistit in“ ist keineswegs im II. Vaticanum erstmals in den theologischen Sprachgebrauch eingedrungen. Ganz im Gegenteil! Es ist ein Begriff, der in der lateinischen Trinitätstheologie zentrale Bedeutung hat: Die drei göttlichen Personen werden hier als „subsistente Relationen“ verstanden. D.h. die Beziehungen der drei Personen zueinander sind, anders als bei den nicht-göttlichen Personen keine Akzidenzien, d.h. Eigenschaften, die sich ändern können, sondern wesenhaft, sie bilden diese Personen, sind personbegründend. Der Sohn existiert also nicht erst an und für sich und steht dann noch in Beziehung mit dem Vater und dem Heiligen Geist, sondern er ist nur, weil und soweit er in Beziehung mit dem Vater und dem Heiligen Geist steht. Diese Beziehungen zueinander sind die einzigen Unterschiede, die es zwischen den Personen Gottes gibt, alles andere ist ihnen allen dreien unterschiedslos gemeinsam.

Erstmals verwendet Tertullian „subsistentia“ als lateinische Übersetzung des griechischen „Hypostase“ (also im zweiten/dritten Jahrhundert!), was wir im Deutschen meist mit „Wesen“ oder „Natur“ wiedergeben, und zwar im Gegensatz zu „persona“ (= gr. „Ousia“ = dt. „Person“)[2]: Gott subsistiert in den drei göttlichen Personen.

Aber: Tatsächlich läßt sich der Satz nicht umdrehen! Gott subsistiert in den drei göttlichen Personen, aber die drei göttlichen Personen subsistieren nicht (jede für sich) in Gott, sondern die drei göttlichen Personen ist (zusammen, als Einheit!) die göttliche Natur (vgl. hier)!

Somit besagt also das „subsistit in“ im Gegensatz zum „ist“ eine einseitige, nicht-gegenseitige Identifikation: Gott ist Vater, Sohn und Heiliger Geist, aber der Vater ist nicht ohne den Sohn und den Heiligen Geist Gott, sondern gerade in seiner Verwiesenheit auf den Sohn und den Heiligen Geist. So sehr jeder Person die ganze göttliche Natur zukommt, ist sie doch aber nur insofern Gott, als sie wesenhaft auf die anderen beiden Personen verwiesen ist.

Das „subsistit in“ bezeichnet bei Tertullian entsprechend genau die Untrennbarkeit der drei Personen vom Wesen Gottes: Wenngleich zwischen den drei Personen ein realer Unterschied besteht (der Vater ist nicht der Sohn, der Sohn ist nicht der Heilige Geist und der Heilige Geist ist nicht der Vater usw.), gibt es den Vater nicht ohne den Sohn und nicht ohne den Heiligen Geist (usw.), sondern es ist vielmehr das Wesen Gottes, in drei Personen zu bestehen. Zwischen dem Wesen und den drei Personen gibt es also einen realen Unterschied, der aber nicht ontologisch, d.h. dem Sein nach ist; ihr Sein (Gottes) haben (eigentlich: sind!) sie immer nur zusammen.

Formalisiert kann man das wohl so ausdrücken:

    x subsistiert in y bedeutet,

  • x „west“ in y,
  • d.h. y gehört wesenhaft zu x,
  • ja mehr noch: y ist das Wesen von x, auch wenn das Wesen von x sich nicht zwangsläufig in y erschöpft.
  • Was aber in x über y hinausgeht, muß ebenfalls subsistent, also wesenhaft sein,
  • kann also von x nicht in derselben Hinsicht wie y ausgesagt werden (was einen kontradiktorischen Widerspruch ergäbe).

Auf die Konzilsaussage übertragen bedeutet das:

  • die im Glaubensbekenntnis bekannte Kirche subsistiert in der vom Papst geleiteten Kirche
  • = die im Glaubensbekenntnis bekannte Kirche „west“ in der vom Papst geleiteten Kirche
  • = die vom Papst geleitete Kirche gehört wesenhaft zur im Glaubensbekenntnis bekannten Kirche.

Im Gegensatz zum „est“ bedeutet das keine gegenseitige Identifikation. Die vom Papst geleitete, äußerlich verfaßte Kirche gehört zwar wesenhaft zur im Glaubensbekenntnis bekannten Kirche. Letztere erschöpft sich aber nicht in der „Papst-Kirche“.

Soweit der Konsens. Entscheidend ist aber, und hier endet der Konsens, daß ich aus dem Subsitieren nicht ableiten kann, daß die anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften genauso zu der einen Kirche Christi gehörten. An dieser Stelle wäre nicht nur der Begriff der Einheit überstrapaziert (und rein vergeistigt), sondern auch das „subsistit in“. Denn ich müßte angeben können, wie die anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften wesenhaft zur einen Kirche Christi gehörten, ohne daß dabei ein kontradiktorischer Widerspruch entsteht, weil die Aussage, sie gehörten der Kirche Christi an, in derselben Hinsicht auf die Kirche Christi ausgesagt würde wie von der Kirche in Gemeinschaft mit dem Papst. Es läßt sich aber keine Hinsicht finden, die nicht unmittelbar mit der Hierarchie, dem Glauben und/oder dem Kult verbunden wäre, also die Aussage des „subsistit in“ ad absurdum führte. Denn die eine Kirche subsitiert ja nach Lumen Gentium 8 gerade in der weltlichen Verfaßtheit der Hierarchie.

Nein, die einzige Aussagehinsicht, in der das „Subsistieren“ der einen Kirche in der Papst-Kirche sich vom „sie ist es“ unterscheiden kann, ist gerade die Hinsicht der innerweltlichen Verfaßtheit: Insofern die eine Kirche Christi innerweltlich existiert, ist sie identisch mit der durch Hierariche, Kult und Glaube äußerlich einen katholischen Kirche unter dem Past. Insofern sie aber außerweltlich existiert, das heißt insofern sie in den Heiligen bereits vollendet ist bzw. in den armen Seelen im Fegefeuer leidet, hat sie über die innerweltliche Verfaßtheit hinausgehende Elemente.

Das heißt: Wie es Gott nie anders als als Vater, Sohn und Heiligen Geist gibt, gibt es die Kirche nie anders als als streitende, leidende und triumphierende Kirche (zumindest diesseits der Wiederkunft, s.u.). Das Konzil hat sich jedoch in Lumen Gentium 8 nur über die Kirche, insoweit sie innerweltlich existiert und verfaßt ist, geäußert. Das „subsistit in“ meint somit tatsächlich etwas anderes als das „est“, macht aber gerade keinen Abstrich hinsichtlich der klaren äußerlichen Einheit der katholischen Kirche in der Welt, sondern berücksichtigt, daß die innerweltlich verfaßte (streitende) Kirche nicht die ganze Kirche ist. Gerade daraus ergibt sich der Gedanke, der sich immerhin auf niemand geringeren als Augustinus berufen kann, daß die triumphierende Kirche Mitglieder haben kann, die der weltlich verfaßten streitenden Kirche nie angehörten (und, was das Konzil hier unter den Tisch fallen läßt, weil es nicht in seiner Aussageabsicht steht: daß es auch äußerliche Mitglieder der verfaßten streitenden Kirche geben kann, die es nicht in die leidende oder triumphierende Kirche schaffen), und daß diese auch echte Elemente der Wahrheit und Heiligung zur Hilfe haben können. Gerade darin bestreiten die Konzilsväter aber, daß diese Christen in voller Gemeinschaft mit Christus und Seiner Kirche stehen.

Das „subsistit in“ nimmt also nichts von der Identifikation der Kirche Christi mit der Kirche von Rom, öffnet aber die Perspektive auf das überzeitliche Mysterium hin; das Mysterium aber dispensiert innerweltlich keineswegs von der Einheit mit dem Papst. Die weltlich verfaßte Kirche unter dem Papst ist in logischer Hinsicht, nämlich in der Hinsicht der Innerweltlichkeit bzw. innerweltlichen Verfaßtheit von der Kirche Christi zu unterscheiden, es gibt aber die eine Kirche Christi nicht ohne ihre innerweltliche Verfaßtheit, sondern ihre innerweltliche Ausdrucksform gehört zum Wesen der einen Kirche Christi, wie der Sohn untrennbar dem Wesen Gottes zugehört – mit dem einen Unterschied, daß der Sohn ewig, die weltlich verfaßte Kirche kontingent ist, das heißt, die eine Kirche Christi kann auch ohne Papst existieren, wenn die Voraussetzung „Innerweltlichkeit“ entfällt.

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[1] Wer jetzt einwenden möchte, Paul VI. sei ja auch in anderen Fragen von der Linie des Konzils abgewichen, etwa in Sachen Mariologie, der muß sich fragen lassen, ob er Konziliarist ist. Denn anders läßt sich ein Widerspruch zwischen Konzil und Papst nicht konstruieren, als daß der Papst unter dem Konzil steht. Das widerspricht aber so ziemlich allem, was die Kirche dazu festhält. Ich sage nur: Jurisdiktionsprimat und Can. 1404 CIC. (hoch)

[2] Es sei hier nur kurz angemerkt, daß „Hypostase“ und „Ousia“ ursprünglich Synonyme waren und die theologische Klärung gerade darin bestand, Begriffe zu finden bzw. so zu definieren, daß sie zum Ausdruck der theologischen Gedanken geeignet sind. Klare Begriffe sind also nicht unwichtig, sondern wesentliche Notwendigkeiten, um Gedanken klar auszudrücken. Und daß das heute gerade in der Pastoral nicht mehr so gesehen wird („Heiliges Brot“), ist eines unser großen Probleme bei der Glaubensweitergabe. (hoch)

Kaum etwas wird heute so falsch verstanden wie das gemeinsame Priestertum der Gläubigen. Denn dieses hat fast nichts mit dem besonderen Priestertum zu tun, insbesondere stellt es keinen graduellen Anteil am Weihepriestertum dar, sondern es ist etwas ganz anderes. Das Zweite Vatikanum stellt demzufolge fest, das „gemeinsame Priestertum der Gläubigen […] und das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum, unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach“, sie seien aber aufeinander hingeordnet, weil sie beide dem Priestertum Christi entspringen (LG 10):

Der Amtspriester nämlich bildet kraft seiner heiligen Gewalt, die er innehat, das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar; die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe. (ebd.)

Das Amtspriestertum wird hier wesentlich deutlicher beschrieben als das gemeinsame Priestertum. Auch im folgenden finden sich nur Andeutungen, wie das gemeinsame Priestertum sich ausdrücke, denn es wird quasi immer vom Empfang der Sakramente und damit von liturgischen Feiern her entwickelt. Das führt aber zu dem Mißverständnis, das gemeinsame Priestertum wäre auf den Gottesdienst in der Kirche bezogen. Das ist es zwar auch, insofern die Gemeinde nicht unwichtig für den Gottesdienst ist (aber als Gemeinde) und der Gottesdienst zur Selbstheiligung beiträgt. Sein eigentlicher Kern aber liegt vor den Kirchentüren.

Das Konzil deutet den Schritt vor die Kirchentür bereits durch „im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe“ an, die eben primär außerhalb der Kirche geübt werden. Ein bißchen deutlicher wird es in der Beschreibung der Wirkung der Sakramente, die nicht nur zur Selbstheiligung da sind, sondern zur Weitergabe des Glaubens durch Wort und Tat befähigen (sollen).

Vergleicht man dies nun mit dem Weihepriestertum, kann man den Unterschied knapp (und etwas ungenau) so benennen: Die Priester sind dazu da, die Gläubigen zu leiten, anzuleiten, zu belehren und in den Sakramenten zu heiligen; die Gläubigen hingegen sollen so gestärkt das Wort Gottes in die Welt tragen. Das besondere Priestertum ereignet sich im geschützten Raum der Kirche, das gemeinsame draußen in der „rauen Welt“.

Die Geimeinsamkeit freilich, die auch die Bezeichnung als Priestertum rechtfertigt, besteht in der Heiligung: der geweihte Priester heiligt die Gläubigen, die Gläubigen heiligen die Welt.

Es könnte jetzt jemand die Frage stellen: Wen interessiert’s, ob der Jurisdiktionsprimat von Anfang an bestand oder nicht, ist doch nur eine strukturelle und eine Machtfrage. Das sollte im christlichen Glauben doch nicht im Vordergrund stehen! Aber ist der Jurisdiktionsprimat damit richtig eingeordnet?

Wenn ich schon so frage, ist das natürlich nicht der Fall:

  1. Das 1. Vatikanische Konzil hat es für heilsnotwendig erklärt, den Jurisdiktionsprimat als von Gott eingesetzt und geoffenbart anzuerkennen.
    Das heißt: Wenn der Jurisdiktionsprimat nicht von Anfang an bestand, sondern erst später erfunden wurde, dann kann er nicht heilsnotwendig sein (wobei die Frage zu klären wäre, in welcher Form er von Anfang an existieren musste, damit die weitere Entwicklung eine legitime Entwicklung ist). Denn dann hätte es eine Zeit gegeben, in der er nicht wenigstens einschlussweise geglaubt wurde, und wäre es heilnotwendig, ihn zu glauben, dann hätten die ersten Christen nicht zum Heil gelangen können, was offenkundig unsinnig ist.
  2. Hat es den Jurisdiktionsprimat nicht von Anfang an gegeben (in welcher Form auch immer), hätte sich das 1. Vatikanische Konzil in einer den Glauben betreffenden Frage fundamental geirrt. Es hätte ein falsches Dogma verkündet. Hat sich das kirchliche Lehramt aber in dieser Frage geirrt, hat es sich notwendigerweise auch in der Lehre von der Unfehlbarkeit des höchsten Lehramtes geirrt und kann sich infolgedessen in jeder anderen Frage ebenso irren.
    Daraus folgte: Ich könnte dem kirchlichen Lehramt in Fragen des Glaubens nicht mehr trauen, es könnte sich ja in jeder Frage auch geirrt haben; folglich könnte ich nur das verantwortet glauben, was ich nach ausführlichem Studium selbst eingesehen habe, aber auf gar keinen Fall etwas, das mir zwar das Lehramt als zu glauben vorlegt, das ich aber nicht einsehe oder gar für falsch halte. Damit wäre der Glaube rein subjektiv geworden, und es könnte kein allgemein verbindliches Glaubensbekenntnis oder überhaupt überindividuellen Glauben geben. Infolgedessen könnte es auch keine Kirche geben, was wiederum offenkundig unsinnig ist.
  3. Nun könnte einer argumentieren, uns verbinde doch das gemeinsame Glaubensbekenntnis, und in diesem sei der Jurisdiktionsprimat nicht enthalten. Tatsächlich steht der Jursdiktionsprimat nicht explizit im Glaubensbekenntnis, er ist aber direkt aus ihm ableitbar, nämlich aus dem Bekenntnis zur „einen, heiligen katholischen und apostolischen Kirche“.

Um den letzten Punkt verständlich zu machen, komme ich um die Frage, was der Jurisdiktionsprimat eigentlich ist, nicht mehr rum:

Kurz gesagt bedeutet der Jurisdiktionsprimat, daß der Papst die oberste rechtliche Instanz in der Kirche ist, sowohl in der Gesetzgebung (Legislative), als auch der Gesetzesdurchführung (Exekutive) als auch der Rechtsprechung (Judikative). Er hat unmittelbare rechtliche Gewalt über die ganze Kirche und jeden einzelnen Gläubigen.

Ist es also doch eine Machtfrage? – Das erste und das zweite Vaticanum, das in dieser Frage überhaupt nicht vom ersten abweicht, sondern vielmehr das erste nur hinsichtlich der Apostolizität ergänzt, führen ganz andere Punkte an:

  1. Einheit: Der Papst als Nachfolger des Apostel Petrus ist Zeichen und Garant der Einheit (eine … Kirche).
  2. Apostolizität: Die eine, heilige, katholische Kirche muss zugleich apostolisch sein, das heißt zumindest dem Kern nach mit der frühen Kirche unter der Leitung der Apostel identisch sein (d.h. Wachstum, tiefere Erkenntnis usw. nicht ausgeschlossen, aber im Kern schon alles dagewesen und geglaubt). Alle Bischöfe sind Nachfolger der Apostel, es gibt eine ungebrochene Linie der Weitergabe der Apostolischen Sendung (= „apostolische Sukzession“). Wie das Apostelkollegium in Petrus seinen Vorsteher hatte, haben ihre Nachfolger, das Bischofskollegium, ihr Haupt im Petrusnachfolger, dem Papst (apostolische Kirche).
  3. Die Katholizität (= Allumfassenheit) der Kirche kann nur zugleich mit der Einheit gedacht werden, ohne Einheit keine Katholizität. Wer nicht in der Einheit mit dem Papst steht, mag zwar auf Christus hingeordnet sein, kann aber nicht Seinem Leib angehören (katholische … Kirche), was im Übrigen ebenso heilsnotwendig ist.
  4. Da der Papst die Sakramentenverwaltung und die Verkündigung des Evangeliums (Lehre) für die ganze Kirche verbindlich regelt, ist auch die Heiligkeit der Kirche (die nicht darin besteht, dass alle Gläubigen persönlich heilig sind, sondern darin, dass die Kirche alle Mittel zur Heiligung, d.h. eben Sakramente und Lehre, besitzt) vom Jurisdiktionsprimat abhängig; sonst könnte jeder Sakramente spenden, wie er lustig ist, aber der Empfänger hätte keine Garantie, dass die Sakramente auch gültig gespendet werden (heilige … Kirche).

Freilich besteht der Jurisdiktionsprimat nicht darin, dass „alle kirchliche Gewalt vom Papste ausgeht“. Vielmehr haben alle Bischöfe Teil an der Leitungsgewalt Christi. Christus ist die Quelle aller Leitungsgewalt. Jedoch hat der Papst die Fülle aller bischöflichen Leitungsgewalt. D.h., während „alle Gewalt von Christus ausgeht“ und jeder Bischof in seiner Diözese die höchste Leitungsgewalt innehat, hat für die ganze Kirche der Papst die höchste Leitungsgewalt, die sich nicht so sehr dem Grade nach unterscheidet (wie es bei den Priestern ist, die ebenfalls Anteil an der Leitungsgewalt haben, aber nicht an der vollen Leitungsgewalt partizipieren, sondern von ihrem Bischof abhängig sind), sondern vielmehr territorial. Erst in der päpstlichen Leitungsgewalt wird die kirchliche Leitungsgewalt wahrhaft katholisch, nämlich die ganze Kirche umfassend.

Wie gesagt, das bedeutet nicht, daß die Bischöfe reine Weisungsempfänger des Papstes sind und nur das ausführen könnten und dürften, was der Papst ihnen vorschreibt. Vielmehr haben sie, wie alle Apostel ihre je eigene Berufung erfuhren, eine eigene Würde und das Recht, für ihre Diözese verbindlich zu entscheiden. Wie aber Petrus eine besondere, zusätzliche Berufung erfuhr, kann der Papst zur Wahrung der Einheit der ganzen Kirche Entscheidungen von anderen Bischöfen aufheben und allgemeine Vorschriften für die ganze Kirche erlassen, und jeder Gläubige, der sich durch eine Entscheidung seines Bischofs beschwert fühlt, kann sich an den Papst wenden, während eine Entscheidung des Papstes nicht mehr anfechtbar ist. Das heißt, der besondere Dienst des Papstes besteht darin, die Einheit in der Vielfalt der regionalen Besonderheiten zu wahren.

Damit zeigt sich, wie unmittelbar der Jurisdiktionsprimat mit dem Verständnis der Kirche zusammenhängt. Im Dogma vom Jurisdiktionsprimat ist zugleich mitbesagt, daß die Kirche nicht nur geistlich verstanden eine ist, sondern real-realistisch, ausgedrückt in der durchaus auch rechtlich verstandenen Einheit mit dem Nachfolger Petri, und daß sie hierarchisch gegliedert ist und von oben, von Christus her gebildet ist.

Der Jurisdiktionsprimat ist daher alles andere als unwichtig. Er ist vielmehr ein ganz entscheidender Ausdruck des rechten Verständnisses von der Kirche. Und es kommt nicht von ungefähr, daß genau an dieser Stelle jeglicher ökumenischer Fortschritt zum Stillstand kommt. Ist der Papst der Stellvertreter Christi auf Erden oder nicht? Oder nochmal tiefer gefragt: Herrschen (zum Scheitern verdammte) menschliche Wunschträume oder herrscht Christus?

Es lebe Christus, der König!

Es gibt ein Argument gegen die Beanstandung liturgischer Mißbräuche, das mich einigermaßen auf die Palme bringt. Es lautet: „Hast Du nichts Besseres zu tun während der Messe, als was richtig und was falsch war abzuhaken?“ Dieses Argument treibt mich deswegen auf die Palme, weil es eigentlich kein Argument, sondern ein (versteckter) Angriff ist, eine kommunikative Killerphrase.

Bis zum Komma ist es noch halbwegs ein Argument, wenn auch ein polemisches. Aber gut, darauf könnte man ja ebenso polemisch antworten: „Nein, habe ich nicht, denn…“ Aber der Nebensatz setzt ein bestimmtes Verhalten voraus, das mich auf einen liturgischen Buchhalter reduziert und angesichts der Ewigkeit, die in der Liturgie aufscheint, absolut unangemessen wäre.

Das heißt: Gehe ich auf den ersten Teil ein und rechtfertige mich, bin ich bereits in der Defensive, weil ich den „Buchhalter“ habe durchgehen lassen; gehe ich auf den zweiten Teil ein, bin ich vom konkret beanstandeten liturgischen Mißbrauch weg auf einer Metabene gelandet, nämlich des rechten Zugangs zur Liturgie.

Daher möchte ich hier meine (polemische) Antwort wie folgt formulieren: „Ja, ich habe nichts Besserers zu tun als dem liturgischen Ablauf im Detail zu folgen, denn das ist die vom Konzil geforderte participatio actuosa.“

Vermutlich ist es gut, daß das hier ein Blogeintrag ist und kein Gespräch, denn das wäre jetzt wohl vorbei, hätte ich doch den Angriff meines Gegenübers mit gleicher Münze heimgezahlt und ihm ebenso einen unangemessenen Zugang zur Liturgie vorgeworfen, nämlich er partizipiere nicht aktuiert an der Liturgie. (Und das bleibt eine absolute Killerphrase, selbst wenn es der Sache nach womöglich sogar zutreffend wäre.)

Trotzdem resultiert für mich das Skandalon liturgischer Mißbräuche gerade aus meiner particiatio actuosa. Denn die meisten liturgischen Mißbräuche machen die Messe ja nicht ungültig. Ginge es mir nur darum, den Leib des Herrn zu empfangen, könnte ich beruhigt Däumchen drehen und mir sagen, ist ja nicht mein Problem.

Nun setzt aber eine tätige Teilnahme an der Liturgie eine gute Kenntnis derselben, insbesondere ihrer Abläufe, Texte und Riten voraus. Ja, sie besteht geradezu darin, den liturgischen Abläufen und Gebeten in der einem selbst zukommenden Rolle (sei es als Priester, Teil des Volkes, Ministrant, Lektor…) zu folgen, den vorgesehenen eigenen Beitrag zu ihr zu leisten, vor allem aber sie innerlich mitzuvollziehen und soweit möglich zu bedenken.

Ob das jetzt im innerlichen Mitbeten der Texte, im Bedenken, was da auf dem Altar vor dem geistlichen Auge geschieht oder im Nachsinnen über bestimmte Worte, die z.B. in den Lesungen verkündet wurden und eine plötzlich getroffen haben, oder worin auch immer besteht, sei dahingestellt und dem einzelnen überlassen.

Alle diese Formen der tätigen Teilnahme werden aber durch unübliche Abläufe oder Texte unterbrochen. Völlig offensichtlich ist dies beim Mitbeten, das durch Umformulierungen und Ergänzungen schlicht unterbrochen wird. Doch auch das Meditieren wird gestört, denn das setzt innere und äußere Ruhe voraus, und die wird schlicht zerstört, wenn man nicht mehr so genau weiß, wo der Zelebrant jetzt eigentlich gerade ist. Statt mitzuvollziehen und geistlich betrachten muß ich nun plötzlich aufpassen und zuhören, was der Zelbrant da für tolle Eingebungen hatte, um a) überhaupt noch eine Möglichkeit zu finden, in irgendeiner Weise aktuiert teilzunehmen, b) meinen eigenen Einsatz (als Ministrant, Volk, Kommunionhelfer, Organist…) nicht zu verpassen und c) mir darüber klar zu werden, ob ich dazu überhaupt „Amen“ sagen, d.h. es beglaubigen kann (shame, shame, daß das heute leider nötig ist).

Mit anderen Worten: Liturgische Mißbräuche zerstören den inneren Kern dessen, was Liturgie bedeutet, und je tiefer jemand in und aus der Liturgie lebt (- die Eucharistie ist immerhin Quelle und Höhepunkt allen christlichen Lebens!), umso eher wird er auch Abweichungen und Fehler bemerken – ob er will oder nicht!

Jedenfalls bemerkt er sie nicht, weil er mit einer abzuhakenden Liste von in der richtigen Reihenfolge abzulaufenden Worten und Handlungen da sitzt und akribisch Buch über die Einhaltung der Regeln führt, sondern weil er durch Nichtvorgesehenes aus seiner Andacht (auch so ein selten gewordenes Wort) gerissen wird und/oder vergeblich auf ihm in seinem Glaubensleben wichtig gewordene Worte oder Zeichen warte, die seine ganze Glaubenskraft wecken, so daß er sie in den Mitvollzug der Liturgie legen kann.

(Anmerkung am Rande: Der Post hat keinen konkreten Anlaß, sondern spukt schon eine ganze Weile in meinem Hinterkopf rum.)

Der Aufruf „Ökumene jetzt“ ist eine Totgeburt. Theologischer Dünnpfiff. Eigentlich nicht der Rede wert. Wenn man nicht davon ausgehen müßte, daß es viele gibt, die gar nicht merken, daß dem ganzen ein unrühmlicher Trick zugrundeliegt.

Der Trick besteht aus zwei Schritten. Der erste ist, das für die Trennung theologisch Entscheidende, nämlich die wesentliche Differenz im Kirchenverständnis, zu leugnen:

Weil uns Gott in der Taufe Gemeinschaft mit Jesus Christus geschenkt hat, sind Getaufte als Geschwister miteinander verbunden. Sie bilden als Volk Gottes und Leib Christi die eine Kirche, die wir in unserem Credo bekennen.

Nein, wir bekennen die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, die in der katholischen Kirche subsistiert. Wie so häufig verhindert Quellenstudium Neuentdeckungen, denn „die eine Kirche, die wir in unserem Credo bekennen“ ist eine fast wörtliche Anspielung auf Lumen Gentium 8, das aber die einzige Kirche Christi ganz anders als rein über die Taufe definiert:

Der einzige Mittler Christus hat seine heilige Kirche, die Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, hier auf Erden als sichtbares Gefüge verfaßt und trägt sie als solches unablässig; so gießt er durch sie Wahrheit und Gnade auf alle aus. Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi, die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei verschiedene Größen zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst. Deshalb ist sie in einer nicht unbedeutenden Analogie dem Mysterium des fleischgewordenen Wortes ähnlich. Wie nämlich die angenommene Natur dem göttlichen Wort als lebendiges, ihm unlöslich geeintes Heilsorgan dient, so dient auf eine ganz ähnliche Weise das gesellschaftliche Gefüge der Kirche dem Geist Christi, der es belebt, zum Wachstum seines Leibes (vgl. Eph 4,16).

Dies ist die einzige Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen. Sie zu weiden, hat unser Erlöser nach seiner Auferstehung dem Petrus übertragen (Joh 21,17), ihm und den übrigen Aposteln hat er ihre Ausbreitung und Leitung anvertraut (vgl. Mt 28,18 ff), für immer hat er sie als „Säule und Feste der Wahrheit“ errichtet (1 Tim 3,15). Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet, ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird. Das schließt nicht aus, daß außerhalb ihres Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen. (LG 8, eigene Hervorhebungen)

Das heißt, bereits der Ausgangspunkt des Aufrufs ist katholischerseits nichts anderes als – Häresie! Denn er leugnet die hierarchische Ordnung der Kirche, die aus ihrem Wesen als Fortsetzung der „Mission“ Christi, seiner Fleischwerdung resultiert, die sich in der Kirche fortsetzt. (Daß wir der „Leib Christi“ sind, ist mehr als nur ein Bild, keine bloße Metapher!) Die Kirche bildet sich nicht aus den Getauften, ist quasi die Summe aller Getauften, wie die Jetzigen-Ökumeniker (übrigens auch im Unterschied zu Luther) meinen, sondern sie existiert streng theologisch gesehen vor und unabhängig von allen Getauften, die allerdings durch die Taufe in die Gemeinschaft der einen Kirche aufgenommen werden – so sie denn in der Katholischen Kirche getauft werden. Katholischerseits definiert sich folglich die Kirche von oben, von dem einen HErrn her, der das Haupt der Kirche ist und den Bischöfen als den Nachfolgern der Apostel mit dem Papst als ihrem Haupt die Leitung der Kirche anvertraut hat. Wir können da überhaupt nichts machen, wenn nicht der HErr selbst es tut.

(Natürlich ist die Taufe in den nicht-katholischen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften nicht nichts, denn Christus ist es, der tauft. Und natürlich resultieren aus der einen Taufe auch diverse Möglichkeiten ökumenischen Miteinanders – nicht, daß einer meint, ich hätte was gegen Ökumene. Aber wer nicht in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri steht, ist nicht Teil der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, wie auch die echten kirchlichen Gaben außerhalb der katholischen Kirche zur katholischen Einheit hindrängen.)

Mit diesem unkatholischen Verständnis von Kirche ist bereits der zweite Teil des argumentativen Tricks vorbereitet:

Heute ist die Kirchenspaltung politisch weder gewollt noch begründet. Reichen theologische Gründe, institutionelle Gewohnheiten, kirchliche und kulturelle Traditionen aus, um die Kirchenspaltung fortzusetzen?

Aber hallo! Welche anderen als theologischen Gründe konnten denn jemals die Kirchentrennung begründen? Wäre die reformatorische Erkenntnis eine der politischen Kompromißbereitschaft gewesen, dann hätte es doch vor lauter kompromißbereiter Irenik nie zur Kirchentrennung kommen können. Nein, die Kirchentrennung ist nicht etwas, was Politiker mit Kompromissen oder Aufrufen überwinden könnten, sondern sie besteht aus sich selbst heraus, wenn die irdische Ordnung der Kirche nicht der göttlichen Ordnung ihrer Einsetzung entspricht.

Und mit diesen beiden Stellen hat sich der Aufruf bereits von selbst erledigt. Er ist einfach argumentativ unaufrichtig, indem er die fundamental kirchentrennende Differenz in der Lehre von der Kirche einfach einebnet. So geht ein berechtigtes Anliegen leider in einer Vielzahl von Halb- und Unwahrheiten unter, nämlich daß es tatsächlich einer äußeren Einheit bedarf, die nicht bei versöhnter Verschiedenheit bei Fortbestehen der Kirchentrennung stehen bleiben darf.

Mit dem Metal und der Kirche ist es wie mit dem Hasen und dem Igel. Der Hase, hier der Metal, kann noch so schnell sein, der Igel, hier die Kirche, war immer schon da.

Sommer ist Festivalzeit und ein Festival dauert drei Tage, mit Vor- und Nachglühn ’ne Woche? Klaro, zum Beispiel Libori in Paderborn. Das hier ist der Anfang des Triduums, und da wir ja feiern wollen, beginnen wir Katholiken den Tag schon am Vorabend mit der Vesper:

Wie man sieht, bietet die Kirche also auch massiven Heavy Metal (ab 23:57, aber ehrlich, Leute, dat is wie mit’m Festival: War man nicht da, hat man die Musik nicht gespürt und gefühlt, dann vermittelt auch das Video nur einen müden Abklatsch!) sowie mystische Texte in fremdländischen Sprachen, mitunter unverständlich, aber emotional intoniert. Und dachte ich schon während der lateinischen Vesper, wow, so ein voller Dom, der mitsingt, das hat schon was, wurde mir beim (deutschsprachigen) Abschlußlied schlagartig klar, daß all die Damen und Herren ohne Liedheft nicht etwa die Vesper auswendig sangen, sondern ihre Stimme für das Schlußlied schonten. Da flogen mir fast die Ohren weg.

Und wer jetzt meint, da fehlen doch aber noch umgedrehte Pentagramme, coole Kopfbedeckungen und martialisches Posing, der hat einfach nur nicht richtig aufgepaßt. Wie gesagt, der Igel war immer schon da.

Und da das katholische Feiern nicht an der Kirchentür aufhört, sondern da erst so richtig anfängt, möchte ich auch das traditionelle[1] LiboriBloggertreffen nicht unerwähnt lassen, das unmittelbar nach Ende der Erföffnungsvesper am Paradiesportal, diesmal komplett ohne Treffpunktschwierigkeiten, begann. Zu dessen Ehre hatte Paderborn weder Kosten noch Mühen gescheut und unzählige Genuß- und Nahrungsmittelstände, Fahrgeschäfte und sonstige fliegende Kränmer aufgeboten. Es hat sich aber auch mal wieder gelohnt, denn gegenüber dem Vorjahr hatte sich die Teilnehmerzahl um 150% gesteigert, wobei die Dominanz der Suffraganblogger weiterhin erfreulich hoch war! (Sprich: Wir waren jetzt 5 statt 2 Blogger, davon drei mit Erfurthintergrund.)

Nur die Größe der Biergläser ist da ein kleiner Wermutstropfen, denn die Näpfe waren dermaßen klein, daß ihr Inhalt schneller verdunstete als Nachschub herangeführt werden konnte. Tja, vom Osten lernen, heißt hier siegen lernen: Wenn man mehr auf einmal ausschenkt, reduzieren sich die Schlangen auch mal vorübergehend. 0,2 l, da kriegen bei uns die Kinder ihren Saft drin!

Bleibt nur eine Frage: Wer hat wohl gemerkt, daß da die Kirche von Paderborn in Gemeinschaft mit mindestens 16 Bischöfen aus aller Welt über eine Stunde lang das Konzil abgelehnt hat?!

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[1] Bekanntlich ist alles, was zweimal stattgefunden hat, bereits eine Tradition: Das war schon immer so, das war noch nie anders. Da könnt‘ ja jeder kommen!

Nach dem sehr lesenswerten Interview mit Weihbischof Dr. Hauke vom Dezember schockierte mich die Herderkorrespondenz in der Februarausgabe nun mit einem Artikel von Prof. Dr. Hubert Frankemölle. Da steht doch allen Ernstes drin:

Konkreter Anlass war die neugefasste Karfreitagsfürbitte „Für die Juden“ für den außerordentlichen Ritus, eigenhändig verfasst von Benedikt XVI., veröffentlicht am 4. Februar 2008. Darauf erhob sich bei Juden und Christen, Katholiken nicht ausgenommen, internationale Kritik, die im Februar/März in Empörung umschlug. Man gewann den Eindruck, dass nach dieser Textform Juden nur durch Jesus Christus zum Heil gelangen könnten. Jedenfalls war es für Juden schwer, die Fürbitte anders zu interpretieren, selbst wenn sie eschatologisch, das heißt auf die Zeit am Ende der Welt hin gelesen werde.

Nun kann ich das sehr gut nachvollziehen, daß man diese Textform gar nicht anders verstehen kann, denn an Christus vorbei kann keiner gerettet werden. Was mich daran schockiert, ist weniger die Auffassung an sich, es gebe einen Extraheilsweg für die Juden, als vielmehr daß ein katholischer Neutestamentler in der Herderkorrespondenz etwas schreiben kann, das mehr als nur suggeriert, daß er diese Auffassung teilt – und das, nachdem die deutschen Bischöfe in seltener Deutlichkeit genau diese Auffassung zurückgewiesen haben.

Wie soll das ausgerechnet bei den Juden denn funktionieren? Selbst wenn man voraussetzte, daß es auch Heil an Christus vorbei geben könnte – was bliebe denn vom Christentum übrig, wenn ausgerechnet diejenigen, zu denen Christus gesandt war, ohne Ihn gerettet werden können?! Warum hätte sich Paulus vor Damaskus bekehren sollen?! Warum hätte er zuvor überhaupt die Christen verfolgen sollen, wenn Christus und das Christentum für ihn als Juden völlig irrelevant gewesen wäre?!

Und mal ’ne ganz blöde Frage nebenbei: Selbst wenn es wohl nicht ausdrücklich dogmatisiert ist – ist „ohne Christus kein Heil“ nicht de fide? …propter nos homines et propter nostram salutem descendit de caelis… Ich mein ja nur.

Exercitio oecumenismi veri pertinet ad unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam; unam in communione episcopi Romae episcoporumque ac papae, pontificis summi et maximi, successoris Petri, servi servorum Dei, vicarii Christi, Benedikti XVI. et collegii episcoporum, successoris collegii apostolorum et universi cleri et cunctorum christifidelium saeculorum locorumque omnium; confessam unam vere catholicam apostolicamque fidem, tenentem quod ad salutem credendum semper et ubique et ab omnibus; celebrantem et adorantem sanctissimam eucharistiam; conatam caritatem Christi in Dei pietate perficere. Aut non erit.

Ja, ich bin böse, aber es ist doch wahr, oder? Dieses wachsweiche „wir sind bunt und für alles offen“ klingt doch eher nach CSD. Und außerdem kann, wer für alles offen ist, doch nicht ganz dicht sein, oder?

1. Alles, was bei deiner Geburt bereits existierte, ist normal und gewöhnlich und bestenfalls langweilig.

2. Alles, was entstand, als du zwischen 15 und 35 warst, ist neu und aufregend und revolutionär, und wahrscheinlich konntest du damit Karriere machen.

3. Alles, was nach deinem 35. Geburtstag aufkam, ist vom Bösen.