Gesellschaft

Seit Tagen kriege ich die Krise bei der allfälligen Berichterstattung über die „Japanische Katastrophe“. Kurz gesagt: Da sind Zehntausende tot, nochmals Zehntausende vermißt (vermutlich größtenteils auch tot), ganze Städte dem Erdboden gleichgemacht — und wir diskutieren über Laufzeitverlängerungen. *kopfschüttel*

Ein weiterer Punkt, über den ich mich wunderte, war, daß wir zwar minutenweise über die Lage in Fukushima Daiichi informiert wurden (obwohl schon Tepco nichts wirklich Substantielles preisgab), überall Angst vor einem Super-GAU geschürt wurde — aber sich nirgendwo jemand Gedanken darüber machte, welche Folgen der Super-GAU haben könnte und wie man mit ihnen umgehen könnte. Ich meine, das Kind ist doch schon in den Brunnen gefallen, jetzt ist nur noch die Frage, wie man die Folgen möglichst gering hält. Stattdessen wurde überall der Eindruck vermittelt, ein zweites Tschernobyl wäre die Apokalypse, die Annihilatio Mundi. Vielleicht bin ich ja einfach bloß abgestumpft, weil meine Eltern schon bei Tschernobyl nur mit den Schultern zuckten und ich die ersten 19 Jahre meines Lebens im 1km-Radius um einen kerntechnischen Forschungsreaktor verbracht habe. Allerdings lagen bei uns die Sicherheitsanweisungen und Evakuierungspläne in der Couchtischablage, und ich habe sie durchaus interessiert studiert. Mit dem Ergebnis: Selbst wenn das Ding hochgeht, ist noch nicht aller Tage Abend. Nicht einmal im 1km-Umkreis.

Heute hat mir dann der Wissenschaftsteil der FAZ bestätigt, daß die Panikmache angesichts des möglichen atomaren Schadens in Japan im Vergleich zum realen beinahe schon unanständig ist. Ohne Zweifel habe Tschernobyl zwar Langzeitfolgen, was die Verstrahlung angeht, und ebenso ohne Zweifel wäre es sinnvoll, noch viel zu tun, um diese Langzeitfolgen zu reduzieren. Aber die gesundheitlichen Folgen sind im Vergleich zum Japanischen Erdbeben und Tsunami doch sehr überschaubar: 49 Tote aufgrund der Strahleneinwirkung (berücksichtigte Gruppe: 510.000) über einen Zeitraum von fast 25 Jahren, wobei aufgrund des langen Zeitraums bei 19 nicht einmal sicher ist, daß sie an den Folgen der Verstrahlung gestorben sind. Darüber hinaus 8.000 Schilddrüsenkrebserkrankungen, was bei einer untersuchten Zahl von 100 Millionen Personen relativ gesehen noch harmloser erscheint als schon der absolute Vergleich mit den Opferzahlen in Japan durch die Naturkatastrophe. Hinzu kommt, daß bisher nur wenige an diesen Krebserkrankungen gestorben sind. Und hier ist von denen die Rede, die am stärksten von Tschernobyl betroffen waren!

Natürlich ist es ebenso unanständig, Opferzahlen zu vergleichen. Ob das Opfer jetzt eins von 49 oder eins von 228.000 (Tsunami Weihnachten 2004) macht für das Opfer und seine Angehörigen keinen Unterschied. Und nein, ich möchte jetzt auch nicht in Sendai sein. Aber ein solcher Vergleich zeigt auf, wie wenig Vernunft und wieviel Emotion und Angst in der Debatte um die zivile Nutzung der Kernenergie steckt. (Wieso hat eigentlich noch niemand ernsthaft die Folgen des Verbrennens fossiler Brennstoffe im Regelbetrieb entsprechender Kraftwerke mit den Folgen der mit Fukushima jetzt 4 Mal in rund 60 Jahren eingetretenen großen Atomunfällen verglichen?) Darum gilt für mich nach wie vor: Atomkraft? Ja, bitte! Panikmache? Nein, danke!

(inspiriert von Elsa — vielen Dank für die Erinnerung an meine ersten eigenständigen musikalischen Orientierungsversuche :-))

Bruder Paulus hat in einem Beitrag für die GKP einen Beitrag über die Frage, ob es zweierlei Katholischsein gibt, geschrieben. Den Grundimpuls dieses Beitrags halte ich für richtig und wichtig: Es muß darüber gesprochen werden, was „Katholischsein“ eigentlich bedeutet. Auch Bruder Paulus‘ Anliegen einer echt katholischen Weite — die dann aber eben auch die Differenzen in Brüderlichkeit aushalten sollte — teile ich. Sicher ist jedenfalls nur: Eine Kirche, die von einem großen Graben durchzogen wird, ist nicht katholisch, und daran müßte eigentlich jeder Katholik leiden. Man muß sich ja nicht gleich lieben, aber ein wenig Neugierde in beide Richtungen wäre hilfreich. Sie setzt aber voraus, daß sie nicht durch persönliche Attacken zerstört wird. Wer sich seines Glaubens wirklich sicher ist, braucht sich durch die Existenz abweichender Meinungen janicht bedroht zu fühlen.

Soweit stimme ich mit Bruder Paulus überein. Ich muß allerdings zugeben: So sicher bin ich mir meines Glaubens auch wieder nicht. Wenn die Position des Lehramtes in Sachen „Weihepriestertum nur für den Mann, Zölibat, Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen“ infragegestellt werden, dann fühle ich mich, meinen Glauben und die Kirche in Frage gestellt (gut, bei „Zölibat“ fühle ich mich nicht in Frage gestellt, sondern wundere mich nur noch über diese Phantomdiskussion). Wieviel Katholizität kann denn in einem Glauben stecken, der sich nicht in Gemeinschaft mit dem päpstlichen Lehramt verorten kann? Daß es selbst in dieser Gemeinschaft noch genug Spielraum für unterschiedliche Meinungen gibt, sei dabei vorausgesetzt, aber es geht in den Debatten doch nur selten um wirklich pastorale Lösungen, sondern darum, alle irgendwie lieb zu haben und keinem wirklich weh zu tun.

Genau an diesem Punkt setzt meine Kritik an Bruder Paulus‘ Artikel an, nämlich daß er selbst indirekt persönliche Attacken fährt und sich einseitig positioniert. Im „Tradi-Absatz“ finden sich ständige Einschränkungen und Problematisierungen, im „Moderni-Absatz“ braucht man schon ein wenig Phantasie, um in der Aufzählung Sinus-Milieu-Studie, religiöser Trendmonitor und „ungetrübter Blick auf die Kirchenaustritts-Statistik“ eine gewisse (Selbst-)Ironie zu sehen. Doch diese bleibt deutlich hinter den pejorativen Formulierungen wie „aus dieser Ecke“, „beim näheren Hinsehen auffällig viele Formulierungen aus vorkonziliarer Zeit“ und „Formen des Glaubens von vorgestern“ im Absatz davor zurück, die im verurteilenden: „Wer echt katholisch ist, sieht hoffentlich weiter“, gipfeln. Da wird man zum Dialog aufgefordert und gleich in die Ecke gestellt! *kopfschüttel*

Der Fehler liegt aber nicht einmal in der Ausführung, sondern schon im Grundkonzept des Artikels. Bruder Paulus hat den Ansatz gewählt, beide Positionen in ihren Schwächen darzustellen. Ich fürchte, so kommen wir nicht weiter. Wer ständig nur auf die Schwächen des anderen starrt, wird kaum dessen Schönheit erkennen können. Meine Ehe funktioniert jedenfalls (nur) anders. Wie wäre es also, lieber die Stärken zu sammeln? Dafür müßte man nicht einmal so wesentlich die Details zu ändern. Denn die Stärke der „Modernis“ ist sicher, gesellschaftliche Entwicklungen aus ihrer Eigenlogik heraus zu verstehen; die der „Tradis“ aber, das ganze Glaubensgut den weltlichen Eigenlogiken entegenzustellen.

Bleibt nur noch anzumerken, daß ich mich in der Dichotomie von „Tradis“ und „Modernis“ überhaupt nicht wiederfinde. Die katholische Kirche ist längst viel pluraler als die üblichen Grabenkämpfe vermuten lassen. Nur wird offenbar jeder in eins der beiden Lager gesteckt. Schubladen sind ja so praktisch…

Sodele, meine Serie über Pseudonymität im Internet stammte noch aus dem letzten Jahr, somit ist das hier mein erster Post 2011. Also: Frohes neues Jahr, alle zusammen. Hoffe, ihr seid alle gut reingekommen, ich kann mich jedenfalls nicht wirklich beschweren.

Mein musikalischer Jahresstart, an dem ich mich euch ein wenig zu partizipieren lassen gedrängt fühle (sorry dafür :-), paßte hingegen zum weltgeschichtlichen. Insbesondere das (Konzept-)Album „Once Was Not“, das eigentlich eine vertonte Apokalypse ist, auch textlich. Das harmloseste Stück (abgesehen von Intro und „Pseudo“-Outro) ist noch das folgende, das auch textlich interessant ist — vor allem wegen seiner Stellung im Gesamtwerk: Es handelt sich um das letzte Stück vor „The End“, also der Apokalypse, und „The End“ ist das vorletzte Stück des Albums, d.h. es gibt noch etwas nach der Apokalypse, nämlich den „Endless Cemetary“ — nicht ganz so eindeutig, wie der Titel anzuzeigen scheint… Hier also Psalm 91,5-8 (dem, der Komplet betet, wohl gut bekannt):

Da habe ich letztens erst über die Obrigkeitsfixiertheit der Deutschen philosophiert, und jetzt macht sich die halbe Blogosphäre (Blogoezese eingeschlossen) ins Hemd, wie „die Politik“ ohne Ahnung vom Internet (und von Kindeserziehung?) einen JMStV beschlossen hat, der sich furchtpahr gefährlich anhört, aber ganz eindeutig völlig wirkungslos bleiben wird.

Damit ihr Euch alle mal ein bißchen entspannt, erstmal hier lesen.

Und Euch dann bitte fragen, in welcher Weise Ihr überhaupt von den Regeln betroffen sein könntet. Richtet ihr Euch hauptsächlich an Kinder? Habt Ihr überwiegend 16+-Content in Euren Blogs? (Wenn ja, habt Ihr schon lange viel größere Probleme als den neune JMStV…)

Wenn Ihr Euch von diesem Staatsvertrag angesprochen fühlt, warum habt Ihr dann nicht alle ein vollständiges Impressum auf Euren Seiten? (Anmerkung: Ihr habt es völlig zu recht nicht, denn Ihr braucht überhaupt keins zu haben.)

Natürlich ist das ganze ein völlig untauglicher Versuch, Jugendschutz im Internet einzuführen, denn er ignoriert die prinzipielle Grenzenlosigkeit der Internets. (Elsa zum Beispiel wird zwar vermutlich überwiegend von Deutschland aus gelesen, aber unterliegt nicht den hiesigen Gesetzen.) Er ist auch deshalb ungeeignet, weil Jugendschutz durch Alterkennzeichnung nicht funktioniert und auch noch nie funktioniert hat — entscheidendes Kriterium ist und bleibt die Verantwortung der Eltern. Nur wenn die Eltern ihre Kinder entsprechend erziehen, das heißt auch: ein Auge darauf haben, womit die sich so beschäftigen, vor allem aber die Auseinandersetzung mit dem Konsumierten fördern, werden Kinder und Jugendliche vor schädlichen Folgen bewahrt, nicht dadurch, daß man von Staatswegen was verbietet. Denn an solche Verbote halten sich nur die Jugendlichen, die von ihren Eltern einigermaßen erzogen wurden. Die „Problemjugendlichen“ hingegen stammen in den seltensten Fällen aus intakten Familien. Den Schluß, was da vermutlich eher die Kausalursache ist, überlasse ich mal dem geneigten Leser.

So, und das nächste Mal erzähle ich Euch was über die Wirkungslosigkeit von pauschalen Disclaimern zur Linkhaftung…

Die Unwissenheit, die ich meine. Also nochmal (der verlinkte Artikel ist schon von 2003, inhaltlich aber nach wie vor aktuell; den Link bekam ich gestern über Twitter) deutlich: Die Castoren stehen im Zwischenlager Gorleben. Das ist die lange Halle in der Mitte des Geländes oben links auf der unteren Karte und keineswegs ein Salzstock. Ein Endlager gibt es noch nicht und das Zwischenlager wird auch nie Endlager werden können. Das Erkundungsbergwerk Gorleben, das als Endlagerstandort in Frage kommt, liegt auf dem Gelände unten rechts. (Hier gibt’s auch nochmal die offizielle Auskunft in der Bildunterschrift.)


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Tja leider hat es der Castor Behälter doch geschafft.

Wenn ich sowas lese, könnte ich ja kotzen! Ja, wo sollen die Dinger denn sonst hin?! Sollen die Franzosen sie behalten? Die werden sich bedanken. Sollen sie weiter in den Zwischenlagern nahe der Atomkraftwerke bleiben? So konnte man sich vor 10 Jahren aus der Affäre ziehen, aber irgendwann sind die Lager da auch einfach mal voll, weil nicht dafür vorgesehen. Und werden die Dinger nach Rußland verschifft, dann schreien die gleichen Leute auf, die im Wendland demonstrieren (lassen): Russische Sicherheitsbestimmungen, um Gottes Willen! Dann hätten wir vielleicht die Endlagersuche nicht ein Jahrzehnt auf die lange Bank schieben sollen…

Was aber regt ihr euch drüber auf, wenn in Rußland ein Castorbehälter umkippt? So gefährlich können die doch gar nicht sein, wenn man sie stundenlang auf mehr oder weniger offener Strecke festhalten, Umleitungen (und damit eine Vergrößerung des durchfahrenen Gebiets) verursachen und sogar die Bahnstrecke beschädigen (das „Schottern“ ist ja nichts wirklich Neues und unterscheidet sich von den in den 90ern beliebten Oberleitungskrallen nur graduell) kann.

Mal ganz ehrlich, Leute: Das Zeug wird nie wieder so gefährlich sein, wie er auf dem Transport war. Irgendwie erinnert mich das an meine Mitschülerin, die allen Ernstes die AIDS-Schleife trug, „um kein AIDS zu bekommen“…

Eine ganze Weile habe ich mich gefragt, ob ich mich verlesen habe, als mir aus dem katholisch.de-Feed folgender Teaser angezeigt wurde:

66.000 Katholiken gingen zur Wahl
„Sie verursacht mehr Schaden und Risiken als Nutzen“, heißt es in einer Stellungnahme

Nun ist der Feed von katholisch.de häufig alles andere als aussagekräftig, so daß ich in geübter Weise den entsprechenden Artikel aufrief, der von den PGR-Wahlen im Bistum Osnabrück berichtete. Oha! PGR-Wahlen verursachen mehr Schaden und Risiken als Nutzen??? Kraß, sowas auf dem offiziellen Portal der DBK zu lesen!

Aber halt! Im Artikel selbst ist davon ja gar nichts zu finden?! So verwirrt hat mich die Bischofskonferenz schon lange nicht mehr.

Des Rätsels Lösung steckte dann im nächsten Eintrag:

„Mehr Schaden und Risiken als Nutzen“
Der Diözesanrat fordert eine Rückkehr zum geordneten Ausstieg aus der Atomenergie, wie er im Juni 2000 beschlossen wurde.

Und da ich mich gar mächtig über diesen Beitrag geärgert habe (wieso diskutiert man Kernenergie eigentlich mit einem Philosophen, anstatt mit einem Kernphysiker, der wenigstens weiß, wovon er redet und nicht nur die Plattitüden wiederholt, die schon vor zwanzig Jahren falsch waren, weil sie einfach naturwissenschaftlich falsch sind), war das mal eine gute Gelegenheit, meine Gadgetliste zu überarbeiten.